Worte der Woche
vom 26.09.-02.10.2004
ausgewählt von Pfarrer Helmut Siebert, Simmern / Hunsrück, Evangelische Kirche
Sonntag, 26. September 2004
Monolog für Alleinstehende
Ruf mich doch an! Zwo Zwo Acht Eins Null Neun. So gegen sieben, wenn es dämmert. Man fühlt sich dann so schrecklich übriggeblieben und ziemlich belämmert mit seinem einsamen Whisky und der matten gelben Rose im schwedischen Glas. Und der immergleichen Frage: Wozu? Wozu. Und vor sich wieder eines Tages Mühen. Das kann einem schon auf die Nerven geh´n. Ich werde doch endlich das Gas aufdrehen – und dir einen ordentlichen Kaffee brühen. Was dachtest denn du?
von Mascha Kaléko
Montag, 27. September 2004
Was man braucht zum Glücklichsein
Was braucht man zum Glücklichsein, wird die Dichterin Mascha Kalèko gefragt. Sie antwortet mit einem Kurzgedicht:
Man braucht nur eine Insel allein im weiten Meer.
Man braucht nur einen Menschen – den aber braucht man sehr.
Dienstag, 28. September 2004
Take it easy!
Tehk it ih-sie, sagen sie dir – natürlich auf englisch: "Nimm´s auf die leichte Schulter!" Doch, du hast zwei. Nimm´s auf die leichte.
Ich folgte diesem alltäglich populären Imperativ. Und wurde schief. Weil es die andre Schulter eben auch noch gibt.
Man muss sich also leider doch bequemen, manches auf die schwere Schulter zu nehmen.Mascha Kaléko
Mittwoch, 29. September 2004
Rückblick und Einblick
Mit zwanzig wusste ich ziemlich genau, was ich sollte und was ich wollte. Nicht etwa, das ich immer wollte, was ich sollte. Aber was ich wollen sollte, das wusste ich genau. Heute bin ich nur noch von Zweifeln voll – und weiß nicht, was ich will und soll.
Mascha Kaléko
Donnerstag, 30. September 2004
Irgendwer
Einer ist da, der mich denkt. Der mich atmet. Der mich lenkt. Der mich schafft und meine Welt. Der mich trägt und der mich hält. Wer ist dieser Irgendwer? Ist er ich? Und bin ich er?
Mascha Kaléko
Freitag, 1. Oktober 2004
Aufwachen - I
So bald man beginnt, Gespenster zu sehen, und spärlich bekleidet spazieren zu gehen; von Türmen zu sinken; im Bad zu ertrinken; sobald man sich duzt mit Dämonen und Drachen – empfiehlt es sich, schleunigst aufzuwachen.
Mascha Kaléko
Samstag, 2. Oktober 2004
Aufwachen - II
Eines Morgens wachst du auf und bist nicht mehr am Leben. Über Nacht – wie Schnee und Frost – hat es sich begeben. Aller Sorgen dieser Welt bist du nun enthoben. Beruf, Alter, Ruhm und Geld sind wie Wind zerstoben. Friedlich sonnst du dich im Licht einer neuen Küste. Ohne Ehrgeiz, ohne Pflicht – wenn man das nur wüsste!
Mascha Kaléko