|
WORTE
vom 08. - 14. August 2004
ausgewählt von Dr.
Peter Kottlorz, Stuttgart, Katholische Kirche
Sonntag, 8. August 2004
Ich suchte meinen Gott, und er entzog sich mir.
Ich suchte meine Seele, und ich fand sie nicht.
Ich suchte meinen Bruder, und ich fand alle drei: den Bruder, mich selbst
und Gott.
Montag, 9. August 2004
"Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben – das Leben
allen Lebens. In seinem kurzen Ablauf liegt alle Wirklichkeit und Wahrheit
des Daseins, die Wonne des Wachsens, die Herrlichkeit der Kraft.
Das Gestern ist nichts als ein Traum, und das Morgen nur eine Vision.
Aber das Heute – richtiggelebt – macht jedes Gestern zu einem Traum
voller Glück und das Morgen zu einer Vision voller Hoffnung.
Achte daher wohl auf diesen Tag."
Aus dem Sanskrit
Dienstag, 10. August 2004
Ein Meister warf mit Steinen nach seinen Schülern. Alle bis auf einen
liefen vor ihm davon. Dieser eine Schüler hob die Steine auf, und sah,
dass sie aus purem Gold waren.
Die Moral: Wenn das Leben dir Steine in den Weg legt, heb sie auf, damit
du sie beurteilen kannst.
Eine Geschichte aus Indien
Mittwoch, 11. August 2004
Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten
heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt
für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und
Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe
für die, die der heidnischen und der gottlosen Welt nutzlos erschienen
und erscheinen.
Heinrich Böll
Donnerstag, 12. August 2004
Wenn einer zu dir kommt und von dir Hilfe fordert, dann ist es nicht an
dir, ihm mit frommen Mund zu empfehlen: "Habe Vertrauen und wirf
deine Not auf Gott", sondern dann sollst du handeln, als wäre da
kein Gott, sondern auf der ganzen Welt nur einer, der diesem Menschen
helfen kann, du allein.
Martin Buber
Freitag, 13. August 2004
Wenn Menschen in alter Zeit einen Bären erlegen wollten, befestigten
sie einen schweren Baumstamm über einem Topf Honig. Der Bär schob den
Stamm beiseite, um den Honig zu lecken. Der Baumstamm schwang zurück und
traf den Bären. Der Bär fing an zu brummen und schob den Stamm stärker
weg, doch dieser Schwang wieder zurück und traf ihn noch stärker. Das
ging so weiter, bis der Baumstamm den Bären tötete. Der Mensch tut
dasselbe, wenn er Böses, das andere ihm antun, mit Bösem vergilt. Ist
der Mensch nicht klüger als der Bär?
Aus Tolstois Kalender der Wahrheit
Samstag, 14. August 2004
Es gibt kein schöneres Vergnügen als einen Menschen dadurch zu
überraschen, dass man ihm mehr gibt als er erwartet hat.
Charles Baudelaire
|