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WORTE
vom 06.-12. Juni 2004
ausgewählt von Pfarrer Helmut
Siebert, Simmern, Evangelische Kirche
Sonntag, 6. Juni 2004
Seele-1
Der Physiker Hans-Peter Dürr sagt: "Ganz gleich, wie man sich
die Seele vorstellt: sie ist nach meiner Auffassung auch dann noch da,
wenn der Mensch gestorben ist. Ich vergleiche das gerne mit einem Blatt
Papier, auf dem ein Gedicht zu lesen ist. Wenn ich das Blatt Papier
zerreiße, zerstöre ich die gedruckten Worte auf dem Papier. Die
Buchstaben geraten durcheinander – aber der Reim und der Sinn des
Gedichts bleiben bestehen. Das Papier ist zerrissen, aber das Gedicht
bleibt."
Montag, 7. Juni 2004
Pause
Die 18-jährige Anna schreibt in einem Brief: "Einmal in der
Woche sollte jeder Mensch sich einen ruhigen Platz suchen, um über
das Wesentliche in seinem Leben nachzudenken. Tut man dies nicht, kann
es passieren, dass man eines Tages plötzlich anfängt zu weinen, und
gar nicht weiß, warum. Wenn man einmal in der Woche tief in sich
hineinhört, kann man vielleicht viele schlimme Dinge
verhindern."
Dienstag, 8. Juni 2004
Seele-2
Vor zehn Jahren verunglückte der Rennfahrer Ayrton Senna. Als
Formel-1-Rennarzt Sid Watkins an die Unfallstelle kommt, erkennt er
sofort, dass Senna stirbt. Watkins erinnert sich: "Wir hoben ihn
aus seinem Rennwagen und legten ihn vorsichtig auf den Asphalt. In
diesem Moment seufzte Ayrton ganz tief. Ich bin eigentlich absolut
ungläubig, doch in diesem Moment hatte ich das Gefühl, als hätte
ihn seine Seele verlassen."
Mittwoch, 9. Juni 2004
Gott
"Dass nicht mehr so viel über Gott gesprochen wird, finde ich
nicht schlimm. Denn das ist eine Chance für die Klarheit unseres
Denkens. Es gab Zeiten, da war der Name Gottes eine unbedachte
Selbstverständlichkeit. Diese Zeiten sind vorbei – Gott sei Dank!
Niemand wird mehr dafür belohnt, wenn er ständig von Gott redet. Und
es wird auch keiner bestraft, der es nicht tut. Heute können wir ganz
bewusst auswählen, was den Namen Gott wirklich verdient."
Fulbert Steffensky
Donnerstag, 10. Juni 2004
Früchte
Ein Wanderer beobachtet, wie ein Bauer einen Johannesbrotbaum
pflanzt. Der Wanderer fragt: "Wann wird dieses Bäumchen wohl Früchte
tragen?" Der Bauer antwortet: "So etwa in siebzig
Jahren." Da lacht der Wanderer: "Du Dummkopf! Glaubst du
etwa, in siebzig Jahren noch zu leben, um von deinem Baum ernten zu können?"
Der Bauer lächelt, schaufelt noch etwas Erde an den Baum und
antwortet: "Nein, das glaube ich natürlich nicht. Aber ich finde
das auch nicht schlimm, denn ich kann jeden Tag von Bäumen ernten,
die ich nicht gepflanzt habe."
ein jüdisches Märchen
Freitag, 11. Juni 2004
Tod
Kurz vor seinem Tod schreibt der Jura-Professor Peter Noll:
"Der Tod macht das Leben noch einmal schöner und intensiver.
Wenn wir wissen, das wir etwas zum letzten Mal erleben, dann ist das
fast so gut wie beim ersten Mal. Als ich zum ersten Mal an den Strand
kam und das Meer sah, war ich stumm vor Staunen. Wenn ich jetzt wieder
ans Meer ginge, würde ich es ähnlich intensiv erleben. Schau gut hin
und höre und rieche genau hin, würde ich mir sagen, denn es ist das
letzte Mal."
Samstag, 12. Juni 2004
Seele-3
Der Physiker Hans-Peter Dürr sagt: "Ich sehe mich als Teil
einer größeren Seele, die unsterblich ist. Ich stelle mir mein Leben
vor wie eine Welle, die mit einer Schaumkrone über den Ozean getragen
wird. Wenn die Welle ihre Kraft verliert und wieder zurücksinkt in
den Ozean, dann verfliegt der Schaum und ist nicht mehr zu sehen. Aber
ich bin eben nicht nur der sichtbare Schaum an der Oberfläche,
sondern gehöre zu dem tiefen Meer, das mich trägt. Das heißt: Je
mehr Tiefenempfindung ich habe, um so mehr erkenne ich meine
Unsterblichkeit. Je oberflächlicher ich bin, desto größer ist meine
Angst vor dem Tod."
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