WORTE vom 18.-24. April 2004

 

ausgewählt von Dr. Peter Kottlorz, Rottenburg, Katholische Kirche

 

 

Sonntag, 18. April 2004

Wir sind immer damit beschäftigt zu handeln, etwas zu tun, Probleme zu lösen, für andere zu sorgen. Ständig sind wir dabei, eine Sache zu planen, eine andere zu vollenden, eine dritte zu entdecken. Darin ist nichts Schlechtes, denn schließlich bauen und verändern wir so die Welt. Doch zur Lebenserfahrung gehört auch das Gebet. Hin und wieder innehalten, aus sich selbst heraustreten angesichts des Universums still sein. Mit Körper und Seele niederknien ohne zu bitten, ohne zu denken, nicht einmal für etwas zu danken. Nur die wortlose Liebe, die uns umgibt erleben. In diesen Augenblicken können unerwartet Tränen fließen, die weder Tränen der Freude noch der Trauer sind. Sei nicht überrascht, diese Tränen waschen deine Seele.

„Aus sich selbst heraustreten“ von Paulo Coelho

 

Montag, 19. April 2004

Eines Morgens als Buddha inmitten seiner Schüler saß, trat ein Mann hinzu. „Gibt es Gott“, fragte er. „Es gibt ihn“, antwortete Buddha. Nach dem Mittagessen kam ein anderer Mann. „Gibt es Gott?“, fragte er. „Nein, es gibt ihn nicht“, sagte Buddha. Am Abend kam ein dritter Mann, der dieselbe Frage stellte. „Gibt es Gott?“ „Das musst du selber entscheiden“, antwortete Buddha. „Meister, das ist absurd“, sagte einer seiner Schüler. “Wie könnt ihr auf ein und dieselbe Frage verschiedene Antworten geben? „Weil es unterschiedliche Menschen sind, die mir die Frage stellen“, antwortete der Erleuchtete. Ein jeder nähert sich Gott auf seine Weise: Durch die Gewissheit, die Verneinung und den Zweifel.

 „Gibt es Gott?“ von Paulo Coelho

 

Dienstag, 20. April 2004

Der Wanderer isst mit einer befreundeten Anwältin im Fort Lauderdale zu Abend. Ein stark angetrunkener Mann am Nebentisch versucht beharrlich mit ihr ins Gespräch zu kommen. Irgendwann bittet die Freundin den Betrunkenen, sie in Ruhe zu lassen. Doch er lässt nicht locker. „Warum denn, ich habe von Liebe gesprochen. Wie es ein nüchterner Mann nie tun würde. Ich habe Freude gezeigt, habe versucht, mich Fremden mitzuteilen. Was ist falsch daran?“ „Es ist nicht der richtige Moment“, antwortete sie. „Gibt es denn einen richtigen Moment um Glücklichsein zu zeigen“. Daraufhin wurde der Betrunkene eingeladen sich zu ihnen an den Tisch zu setzen. 

„Der richtige Moment“ von Paulo Coelho

 

Mittwoch 21. April 2004

Eine Frau besuchte eine Theateraufführung am Broadway. In der Pause ging sie ins Foyer um einen Whisky zu trinken. Das Foyer war voller Menschen, die rauchten, redeten, tranken. Ein Pianist spielte, doch niemand achtete auf die Musik. Die Frau nippte an ihrem Drink und sah den Musiker an. Er schien gelangweilt, spielte so, als würde er nur spielen weil er musste und als könnte er das Ende der Pause kaum erwarten. Nach einem weiteren Whisky wandte sich die Frau schon etwas beschwipst an den Pianisten. „Sie sind eine Nervensäge, warum spielen sie denn nicht für sich selber?“, fuhr sie ihn an. Der Pianist blickte sie erstaunt an und begann sofort die Stücke zu spielen, die ihm gefielen. Darauf wurde es still im Foyer. Als der Pianist geendet hatte, applaudierten alle begeistert.

“Play it again” von Paulo Coelho

 

Donnerstag, 22. April 2004

Der Meister sagte:“ Bete jeden Tag. Auch wenn deine Gebete keine Worte haben und um nichts bitten. Und kaum verständlich sind. Mach’ es dir zur Gewohnheit zu beten. Wenn es dir anfangs schwer fällt, beschließe für dich selbst, ‚ich werde diese Woche jeden Tag beten’. Und erneuere dieses Versprechen jeweils für die nächsten sieben Tage. Bedenke, dass du damit nicht nur eine engere Verbindung zu spirituellen Welt herstellt. Es trainiert auch deinen Willen. Durch bestimmte Praktiken entwickeln wir die für den Lebenskampf notwendige Disziplin. Es bringt nichts, wenn du das Versprechen an einem Tag nicht einhältst und am nächsten Tag zweimal betest. Es bringt auch nichts, wenn du sieben Gebete an einem Tag sprichst und glaubst damit deine Aufgabe für den Rest der Woche erledigt zu haben. Bestimmte Dinge müssen im richtigen Maß und im richtigen Rhythmus geschehen.“

„Disziplin“ von Paulo Coelho

 

Freitag, 23. April 2004

Papst Johannes Paul II zum vereinigten Europa

Ich hoffe, dass Schritte gelingen, um den Westen und den Osten dieses Kontinents einander näher zu bringen. Jene beiden Lungen, ohne die Europa nicht atmen kann. Es möge gelingen aus einer westeuropäischen Wohlstandsinsel eine gesamteuropäische Zone der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu schaffen. Materielle Opfer werden für die wohlhabenderen Länder unvermeidlich sein, um das unmenschliche Wohlstandsgefälle innerhalb Europas allmählich abzuflachen.

 

Samstag, 24. April 2004

Drei Feen waren zur Taufe eines Prinzen eingeladen. Die erste versprach ihm die Gabe, seine Liebe zu finden. Die zweite versprach ihm so viel Geld, dass er tun konnte, was er wollte. Und die dritte versprach ihm Schönheit. Doch wie in allen Märchen erschien auch die böse Fee. Sie war zornig darüber, dass sie nicht eingeladen worden war und sprach einen Fluch: „Da du bereits alles hast, gebe ich dir noch mehr. Du wirst das Talent zu allem haben, was du tun möchtest.“ Der Prinz wuchs heran, war schön, reich und verliebt, doch er erfüllte nie seine Mission auf Erden. Er war ein ausgezeichneter Maler, Musiker, Mathematiker, doch es gelang ihm nie eine Aufgabe zu vollenden, weil er immer schnell abgelenkt war und etwas anderes machen wollte. Der Meister sagt: Alle Wege führen zum selben Ort, doch wähle deinen eigenen Weg und geh’ ihn bis zu Ende. Versuche nicht alle Wege zu beschreiten.

„Die böse Fee“ von Paulo Coelho