WORTE vom 11.-17. Januar 2004

 

ausgewählt von Altfried G. Rempe, Trier, Katholische Kirche

 

 

Sonntag, 11. Januar 2004

Was sollen wir also tun?

Die Menschen fragten Johannes den Täufer in der Wüste: "Was sollen wir tun?" Seine Antwort war: "Wer zwei Hemden hat, soll dem eins geben, der keines hat. Und wer etwas zu essen hat, soll es mit jemand teilen, der hungert."
Auch Zolleinnehmer kamen und wollten sich taufen lassen; sie fragten ihn: "Lehrer, was sollen wir tun?" Seine Antwort war: "Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!"
Auch Soldaten fragten ihn: "Was sollen denn wir tun?" Die Antwort war: "Beraubt und erpresst niemand, sondern gebt euch mit eurem Sold zufrieden!"
Das Volk war voll Erwartung und fragte sich, ob Johannes vielleicht der versprochene Retter sei. Da erklärte er allen: "Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber der, der mächtiger ist als ich."

Die Bibel im Lukas-Evangelium (aus Lk 3, 10-16 – Übersetzung "Die Gute Nachricht")

 

Montag, 12. Januar 2004

Im Flieger

Trost in zehntausend Metern Höhe
Die Erde ist uns sicher.
Nur ist die Erde nicht sicher.
Doch sollte sie sich auflösen in unserer Abwesenheit, könnten wir, der Schwerkraft ledig, gleich weiter fliegen.

Reiner Kunze: Trost in zehntausend Metern Höhe (in: auf eigene hoffnung & eines jeden einziges leben. Gedichte Fischer / Frankfurt/M 2000)

 

Dienstag, 13. Januar 2004

Was ein Mensch erlebt...

... Niemand half den Eltern in ihrer extremen Belastung, und so halfen sie sich selbst. 1969 gründeten sie den Verein für mehrfach behinderte Kinder....
Die einzelnen Häuser, licht und mit viel Holz gebaut, liegen in Wohngebieten, die Nachbarn gehören zu den Stammgästen der Begegnungsstätte. Alle Kinder sind geistig und körperlich mehrfach behindert, sie können nicht sprechen, alle brauchen umfassende und individuelle Hilfe und Förderung.
Ein Wort von Dietrich Bonhoeffer hat sich der Verein zum Leitsatz gewählt: "Wir sollten mehr auf das achten, was ein Mensch erlebt und erleidet, als auf das, was er kann oder nicht kann."

Die Süddeutsche Zeitung am 4. Januar über den Verein "Helfende Hände" München

 

Mittwoch, 14. Januar 2004

Hoffnung: im kommen

"Ich bin im Kommen," sagt die Hoffnung zur Realität; die hatte sich über sie lustig gemacht. "Ich bin im Kommen," sagt die Hoffnung. "Du bist (schon) im Gehen."

Friedolin Stier, Die Hoffnung: Im Kommen (aus: ders., Mit Psalmen beten, Stuttgart 2001)

 

Donnerstag, 15. Januar 2004

Schutzengel

Acht Tage lag sie unter den Trümmern ihres Hauses in Bam verschüttet, heute wurde die 97 Jahre alte Frau gerettet. Umstürzende Möbelstücke hatten während des Erdbebens einen Hohlraum gebildet, in dem die Frau überlebte.
Im Krankenhaus eingeliefert, hat die alte Dame ein Gedicht geschrieben. Vielleicht hatte sie einen Schutzengel. Guten Abend meine Damen und Herren.

Ulrich Wickert eröffnet die Tagesthemen am Samstag, 3. Januar (zit. nach www.tagesthemen.de)

 

Freitag, 16. Januar 2004

Suchende sind wir

Immer noch ziehst du suchend durch die Welt, den Walkman im Ohr, mit deinem Skateboard, per Interrail, auf deiner Suzuki. Warst in Marokko und Schweden, auf Texel und in der Provence. Alles kennst du und nichts. Nichts wirklich
von innen, by heart. Lässt dich auf nichts wirklich ein, auf keine Aufgabe, auf keine Beziehung. Bald hast du wieder Geburtstag, wann wirst du wirklich geboren? Noch schützen dich dein Helm und das Leder wie eine künstliche Fruchtblase. Noch verdrängst du die entscheidende Frage durch tausend Aktivitäten.
Du bist ein nicht eingelöstes Versprechen. Auf der Suche bist du, ich weiß. Wir alle sind auf der Suche. »Unruhig ist unser Herz.« Doch »wer sucht, der findet«. Wann findest du zu dir selbst und zu Gott? Nicht irgendwo wartet das Leben auf dich. Da, wo du bist. Jetzt.

Hermann Josef Coenen, Parzival (aus: Dann stehst Du am Ufer. Anstiftungen zum Glauben. Patmos Verlag, Düsseldorf 1991)

 

Samstag, 17. Januar 2004

Glocken allzu nah

Morgen für Morgen verheert ihr Geläut meinen Schlaf, als sei's Gottes Wille, jene zu strafen, die abends nicht einschlafen können in seiner Welt.
Sonntags eilen die großen Glocken, den kleinen zu helfen.
Sie läuten die Gläubigen aus den Betten, sie läuten die Gläubigen in die Mäntel, sie läuten läuten.
An einem Montag im Nebel werde ich die Glocken pflücken wie überreife Früchte und sie verfüttern an den Goldfisch.
Für das Heil meiner Seele fürchte ich nicht.
Heimlich wird für mich bitten der Pfarrer. Er schläft gern lang.

Reiner Kunze: Glocken allzu nah (in: auf eigene Hoffnung & eines jeden einziges Leben. Gedichte Fischer / Frankfurt/M., 2000)