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GEDANKEN
vom 25.-31.01.2004
ausgewählt von Dr. Peter Kottlorz, Rottenburg,
Katholische Kirche
Sonntag, 25. Januar 2004
Drei Kreuze
Kopf, Mund und Herz – drei
Kreuze. Mit dem Daumen gemacht an die eigene Stirn, auf den Mund
und auf das Herz. Vor rund zwanzig Jahren als ich viele der
christlichen Symbole und Riten in Frage gestellt habe, kam mir
dieses dreifache Kreuzzeichen nur peinlich vor. Es wirkte
irgendwie bieder, unterwürfig und frömmlerisch auf mich. Heute
mache ich es gern. Es kommt im katholischen Gottesdienst vor dem
Evangelium. Also bevor die rund 2000 Jahre alten Weisheiten in
die Gegenwart gebracht werden. Das dreifache Kreuzzeichen ist
gerade an dieser Stelle, wo es immer um Herz und Verstand geht,
nicht nur ein äußerliches Zeichen. Es bringt zusammen, was
auch immer zusammen hängt : den Kopf, das Herz und den
Mund. Wenn ich mir das Kreuzzeichen an die Stirn mache, dann
spreche ich ohne Worte eine Mahnung an mich selbst aus :
Achte auf deine Gedanken, sie sind der Beginn deiner Taten. Das
Kreuzzeichen auf den Mund mahnt mich öfter die Klappe zu
halten. Und wenn ich rede, darauf zu achten, dass mehr gute und
wohlwollende Worte aus meinem Mund kommen als schlechte und schädliche.
Und beim Kreuzzeichen auf meine Brust erinnere ich mich daran,
immer darauf zu achten, echt zu sein, kein Show zu machen, mich
nicht zu verstellen, mich in wesentlichen Dingen nicht von außen
leiten zu lassen, sondern von meinem Innersten. Sooft wie möglich
ganz da und ganz selbst zu sein. Zum Beispiel durch die drei
Kreuze auf Kopf, Mund und Herz. Drei schlichte Signale an meine
drei wichtigsten Schaltzentralen.
Montag,
26. Januar 2004
Gewalt
"Der brüllt nach einer Tracht
Prügel" - "eine hinter die Löffel
hat noch keinem geschadet." Sprüche wie diese hören
sich zwar veraltet an, aber Gewalt in der Familie ist leider
kein Thema, das veraltet ist. Männer schlagen ihre Frauen, es
soll auch Frauen geben, die ihre Männer schlagen und leider
gibt es auch noch zu viele Frauen und Männer, die ihre Kinder
schlagen. Wie furchtbar es ist, wenn eine Mutter in all ihrer
Verzweiflung und Hilflosigkeit meint, ihr Kind schlagen zu müssen,
beschreibt folgende Geschichte von Astrid Lindgren: Ein
Kind hatte etwas angestellt, für das es nach Meinung seiner
Mutter eine Tracht Prügel verdient hätte. Die erste in seinem
Leben. Die Mutter trug ihm auf in den Garten zu gehen und selber
nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der
kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er
weinend zurück und sagte : Ich habe keinen Stock finden können,
aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen.
Da aber fing auch die Mutter an zu weinen, denn plötzlich sah
sie alles mit den Augen des Kindes. Das Kind musste gedacht
haben : Meine Mutter will mir wirklich weh tun. Und das
kann sie auch mit einem Stein. Sie nahm ihren kleinen Sohn in
die Arme und beide weinten eine Weile gemeinsam. Dann legte sie
den Stein auf ein Bord in der Küche und dort blieb er liegen
als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser
Stunde selber gegeben hatte. Niemals Gewalt.
Dienstag,
27. Januar 2004
Lob
Heute schon jemanden gelobt?
Lob ist wie ein Glas Sekt – heißt es. Es schmeckt, prickelt
und belebt. Warum loben wir dann so wenig? Tiere werden
gelobt: Sitz Bello, braver Hund! Und Kinder werden
gelobt: Schön hast du das gemacht, weiter so. Aber die
Erwachsenen? Brauchen die denn kein Lob? Weil es
vielleicht herablassend wirkt, wenn zum Beispiel ein Chef seinen
Mitarbeiter lobt? Oder vielleicht soll niemand bevorzugt
oder herausgehoben werden, weil sich die anderen dadurch zurückgesetzt
fühlen könnten? Oder bricht dem, der lobt ein Zacken aus
der nicht vorhandenen Krone, wenn er anderen sagt, dass sie gut
sind oder etwas gut gemacht haben? Oder ist es ganz
einfach Gedankenlosigkeit? Der Alltag läuft eben wie er läuft,
und es gibt so viele Pflichten, die getan werden müssen und
dann muss man auch kein großes Gedöns drum machen. Doch!
Zwar nicht bei jeder Kleinigkeit – das wäre nicht echt. Aber
ab und zu gehört ein Lob einfach dazu. Und gerade nicht nur bei
den großen, herausragenden Leistungen, sondern bei den unauffälligen,
dauerhaften und scheinbar selbstverständlichen Arbeiten. Am
Fließband, am Krankenbett, im Büro oder in der Schule. Ab und
zu ein verbales Glas Sekt. Ein Lob, das freut, gut tut und
motiviert. Sektmarken gibt es genug: trockene,
halbtrockene, liebliche. Und sie heißen: gut, prima,
toll, schön. Und die Gläser sind von der Firma Danke.
Mittwoch,
28. Januar 2004
Aids
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs – in diesen sechs
Sekunden hat sich wieder ein Mensch mit Aids infiziert. Sieben,
acht, neun, zehn – alle zehn Sekunden stirbt ein Mensch an
Aids. Aids – die Pest der Moderne, aber im Gegensatz zum
Mittelalter, wo die Pest alle traf, Bettler wie Könige, trifft
Aids heute fast nur
die Armen, weltweit betrachtet. Seit der Entdeckung des
Aidsvirus im Jahre 1981 haben sich mehr als 65 Millionen
Menschen mit dem HIV-Virus infiziert. 23 Millionen sind seitdem
an Aids gestorben. 90 Prozent davon in den Entwicklungsländern.
23 Millionen Menschen! Das ist mehr als die Einwohner von Österreich
und der Schweiz zusammen. Man stelle sich das einmal vor! Österreich
und die Schweiz entvölkert, menschenleer, ausgestorben durch
Aids. Simbabwe hat 12 Millionen Einwohner, davon sind 35 % HIV
positiv, das heißt jeder dritte hat Aids, Männer, Frauen und
Kinder mit verheerenden Auswirkungen. Natürlich zuerst auf die
Erkrankten, sie leiden nicht nur körperlich, sondern auch
sozial. Aids heißt in Afrika das, was tötet. Und deshalb
werden die Aidskranken auch ausgegrenzt. Verheerende
Auswirkungen hat Aids aber auch gesellschaftlich weil die
meisten HIV Erkrankten jungen Alters sind, wird eine ganze
Generation fast ganz ausfallen. Und was kann man tun? Besser
gesagt, was muss man tun? In Afrika schützen, auch mit Kondomen
- klar, aber das allein reicht nicht aus, da es im Wortsinne nur
äußerlich ansetzt. Aids ist aber vor allem eine sozial
entstandene Krankheit. Deshalb geht es bei der Aidsvorsorge um
Bildung, um die Gleichstellung von Frauen und um die Bekämpfung
der Armut, und da können auch wir hier aus der Ferne helfen.
Mit Geld. Ganz einfach mit unserer Spende, auch wenn es nur ein
Euro ist. Denn während ich diese Gedanken hier gesprochen habe,
sind weltweit weitere zwölf Menschen an Aids gestorben.
Donnerstag,
29. Januar 2004
Rupert Neudecks „Grünhelme“
„Wer
so dünn ist, den treffen keine Kugeln.“ Das hat die Frau von
Rupert Neudeck auf
die Frage geantwortet, ob sie nicht Angst habe, ihrem Mann könne
etwas bei seiner Arbeit zustoßen. Rupert Neudecks Arbeit ist
nicht nur bewundernswert, sie ist immer wieder auch gefährlich,
manchmal lebensgefährlich. Er geht auf die Kriegs- und
Nachkriegsschauplätze der Welt um zu helfen. Rupert Neudeck hat
im Bereich der Hilfsorganisationen so viel bewegt wie kaum eine
andere Einzelperson in Deutschland. Sein Motto: „Was zählt
ist die Tat“. Und getan hat der bekennende Christ schon
einiges. Rund 10.000 vietnamesische Bootsflüchtlinge hat er mit
seiner legendären Cap Anamur aus dem südchinesischen Meer
gefischt. Er war an den Orten der Welt, an denen die Not am
offensichtlichsten ist – Eritrea, Ruanda, Afghanistan. Durch
Afghanistan ist er sechs Wochen gefahren um selbst zu sehen, was
die vom Krieg und Taliban-Regime geplagten Menschen brauchen.
Nach dieser Reise hat er die „Grünhelme“ gegründet. Unter
den grünen Helmen können junge Menschen jeden Alters in zerstörte
Länder gehen und dort am Wiederaufbau mithelfen. So sind zum
Beispiel im Irak schon 60 Häuser und eine Schule entstanden.
Die Grünhelme arbeiten ohne Gehalt, aber nicht umsonst. Die
Menschen denen sie helfen , müssen auch etwas geben:
Unterkunft, Baumaterial oder Geld für die einheimischen
Arbeiter. So wird die Hilfe zum Nehmen und Geben. Und die
Menschen die durch Krieg und Zerstörung schon genug geplagt
sind, müssen sich nicht auch noch als Almosenempfänger fühlen.
Wieder mal eine gute Idee von Rupert Neudeck. Eben ganz nach
seinem Motto: „Was zählt ist die Tat.“
Freitag,
30. Januar 2004
Es
spricht Joel Berger von der Jüdischen Gemeinde Stuttgart
Samstag,
31. Januar 2004
1
Euro (bei uns und anderswo)
Jeder
der weniger als einen Euro pro Tag zum Leben hat, gilt als
absolut arm. Diese Angabe nennt man den Armutsindex. Nach diesem
Armutsindex leben rund eine Milliarde Menschen von weniger als
einem Euro pro Tag. Eine Milliarde Menschen, das ist ein
Sechstel der Weltbevölkerung. Ein Sechstel der Weltbevölkerung
lebt von maximal einem Euro pro Tag. Ein Euro ist natürlich
relativ viel oder wenig wert. Bei uns wie auch in anderen Ländern.
Deshalb wollte ich mal wissen, was man bei uns so für einen
Euro im Supermarkt kriegt. Ich dachte so gut wie gar nix. War
aber erstaunt, wie viel tatsächlich für einen Euro zu haben
ist: 10 aufbackbare Brötchen zum Beispiel, oder 450 Gramm
tiefgefrorener Rosenkohl. Für einen Euro bekommt man 2 Flaschen
Bier mit Pfand oder eine 75-Milligramm-Tube Zahnpasta. Alles
jeweils ein Euro. Und weil ich, wenn ich mal was spende,
auch gerne weiß wo mein Geld hingeht und auch gerne
wissen möchte, was die Menschen dort damit anfangen können,
hab ich mich auch mal erkundigt, was man denn für den Gegenwert
von einem Euro in
armen Ländern bekommen kann. In Afrika zum Beispiel. In der
Demokratischen Republik Kongo gibt es zwei warme Mahlzeiten oder
ein halbes Hähnchen für einen Euro.
In Namibia kann man mit einem Euro eine fünfköpfige
Familie mit Kartoffeln versorgen. In Ghana erhält man ein
Medikament gegen Malaria. Und in Burundi kann man für einen
Euro fast 10 Tage zur Schule gehen. Ein Euro – scheinbar so
wenig und doch so viel, wenn ich damit helfen kann.
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