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Anstöße

Donnerstag, 9. Dezember 2004

Von Klaus Rudershausen, Alt-Katholische Kirchengemeinde Wiesbaden
"Was können mich meine Augen doch täuschen…!" - so dachte ich vor einigen Jahren bei einem meiner ersten Besuche im Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne. Im Schloss Freudenberg in Wiesbaden schaute ich nacheinander in zwei sogenannte "Guckkästen":
"Dem Anschein nach ist es eine hellerleuchtete weiße Wand, auf die mein Blick durch das Loch im ersten Kasten fällt. Der Blick durch das Loch im zweiten Kasten zeigt mir eine Kugel in ihrer dreidimensionalen Wirklichkeit vor einer schwarzen Wand."
Was mir nicht sofort aufgefallen war: In beiden Kästen war eine Kugel enthalten, im ersten Fall in einem hell erleuchteten Raum, im zweiten Fall dezent beleuchtet! Beide Male aber, die gleiche Kugel, gleiche Größe, gleicher Raum.
Auf einfachste Weise wurde mir "vor Augen" geführt:
"Totale Ausleuchtung macht unsichtbar!"
Der beigefügte Ausspruch von Hugo Kükelhaus beschäftigt mich seither immer mal wieder: "Schwache Reize wirken auslösend, mäßige Reize entwickeln, starke Reize hemmen, überstarke Reize zerstören."
Dies wird mir immer deutlicher gerade jetzt, im Advent, wenn ich die unzählbaren Lichter, Lichterketten, Tausende künstlicher Kerzen an Wohnzimmerfenstern sehe, auf Balkonen, an Hausfassaden. Dort, wo im Frühjahr Blumen wachsen, sind auf einmal röhrende Hirsche, Wildschweine und Weihnachtsmänner zu sehen. Ganze Vorgärten verwandeln sich in wahre Lichtermeere!
Manch Einem mögen diese blinkenden, hin- und her- wandernden Lichter sogar gefallen… Ich habe mitunter den Eindruck, hier will einer den anderen überbieten! Ein Wettbewerb, der mehr ans Ambiente von Las Vegas zu erinnern scheint als an das, worum es eigentlich geht in diesen Wochen: Im kleinen, im unscheinbaren Stall, mitten in die Dunkelheit hinein wird Gott geboren, nicht in erster Linie im Scheinwerferlicht der Massen, nicht in den Lichterwelten unserer Tage, die an Kitsch oft kaum zu überbieten sind!
Es stimmt also: Wenn es zu hell wird, ist Wesentliches nicht mehr zu sehen!
Wissen Sie, was ich Ihnen wünsche? Weniger Licht! Ja, weniger Licht wünsche ich, damit Sie unterscheiden können zwischen hell und dunkel, damit Konturen deutlicher werden.
Ich wünsche Ihnen den Mut, einfach mal eine Kerze anzuzünden, nicht viel mehr, aber auch nicht weniger - weniger ist mitunter mehr, wesentlich mehr!