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WORTE
vom 07.-13.09.2003
ausgewählt von Altfried
A. Rempe, Trier, Katholische Kirche
Sonntag, 07. September 2003
Das Geständnis
Nein, offen gestanden glaube ich nicht an Gott.
Freilich, wenn mein Vater noch lebte, hätte ich niemals gewagt, das
auszusprechen, denn er wäre sehr
traurig geworden.
Vielleicht ist es eine Schande, dass ich Gott leugne, weil ich ihm ja
trotzdem so oft danke und zu ihm bete, wenn ich verzweifelt bin.
Astrid Lindgren, Glaube ich nicht an
Gott...
(Expressen 6.12. 1979 – zitiert nach Astrid Lindgren, Steine auf dem
Küchenbord. Gedanken Erinnerungen Einfälle
gesammelt von Elisabeth Hohmeister Angelika Kutsch und Margareta Strömstedt,
Oetinger Hamburg 2000)
Montag, 8. September 2003
Das Wunder Mensch
Mein Sohn liegt in meinem Arm.
Er hat so kleine, kleine Hände.
Die eine hat sich um meinen Zeigefinger geschlossen und ich wage nicht
mich zu rühren.
Er könnte dann vielleicht loslassen und das wäre unerträglich.
So ein Himmelswunder, diese kleine Hand mit fünf kleinen Fingern und
fünf kleinen Nägeln.
Ich wusste ja, dass Kinder Hände haben, aber ich habe wohl nicht recht
begriffen, dass mein Kind auch solche haben würde.
Denn ich liege hier und blicke auf das kleine Rosenblatt, das
die Hand meines Sohnes ist, und kann nicht aufhören zu staunen.
Astrid Lindgren, Wunder Menschenkind...
(aus: Kati in Paris – zitiert nach Astrid Lindgren, Steine auf dem
Küchenbord. Gedanken Erinnerungen Einfälle
gesammelt von Elisabeth Hohmeister Angelika Kutsch und Margareta
Strömstedt, Oetinger Hamburg 2000)
Dienstag, 9. September 2003
niemals groß werden
"Ich will niemals groß werden", sagte Thomas entschieden.
"Nein, darum muss man sich wirklich nicht reißen", sagte Pippi.
"Große Menschen haben niemals etwas Lustiges. Sie haben nur einen
Haufen langweilige Arbeit und komische Kleider und Hühneraugen und
Kumminalsteuern."
"Kommunalsteuern heißt das", sagte Annika.
"Ja, es bleibt jedenfalls der gleiche Unsinn", sagte Pippi.
"Und dann sind sie voll Aberglauben und Verrücktheiten. Sie glauben,
es passiert ein großes Unglück, wenn sie beim Essen das Messer in den
Mund stecken, und all solch dummes Zeug."
"Und spielen können sie auch nicht", sagte Annika.
Astrid Lindgren, Niemals groß werden
(aus: Pippi in Taka-Tuka-Land – zitiert nach Astrid Lindgren, Steine auf
dem Küchenbord. Gedanken Erinnerungen Einfälle
gesammelt von Elisabeth Hohmeister Angelika Kutsch und Margareta
Strömstedt, Oetinger Hamburg 2000)
Mittwoch, 10. September 2003
nicht mehr spielen können
Ich erinnere mich noch an den Sommer, als
ich dreizehn war und merkte, dass ich nicht mehr spielen konnte.
Ich stellte es fest. Es ging einfach nicht. Es war entsetzlich. Und
traurig. Und ich glaube, das haben alle Kinder in diesem Alter erlebt.
Ich kann euch nur sagen: Verzweifelt nicht am Leben! Denn das geht vorbei.
Diese traurige Zeit nimmt ein Ende. Und alles wird wieder gut.
Kerstin Ljunggren: Besuch bei Astrid Lindgren
(aus: Astrid Lindgren, Steine auf dem Küchenbord. Gedanken Erinnerungen
Einfälle
gesammelt von Elisabeth Hohmeister Angelika Kutsch und Margareta
Strömstedt, Oetinger Hamburg 2000)
Donnerstag, 11. September 2003
Den Sommer speichern
"Ich sauge den Sommer in mich ein wie die Wildbienen den
Honig", sagte sie. "Ich sammle mir einen großen Sommerklumpen
zusammen und von dem werde ich leben, wenn... wenn es nicht mehr Sommer
ist. Und weißt du, woraus der besteht? Es ist ein einziger großer Kuchen
aus Sonnenaufgängen und Blaubeerreisig mit reifen Beeren und
Sommersprossen, die du auf den Armen hast, und abendlichem Mondschein
über dem Fluss und Sternenhimmel und Wald in der Mittagshitze. Voll von
Sonnenlicht auf den Fichten und kleinen Regenschauern und all so was. Und
voller Eichhörnchen und Füchse und Hasen und Elche und dazu alle
Wildpferde, die wir kennen. Und auch noch unser Schwimmen und Reiten im
Wald, ja, da hörst du, dass mein großer Kuchen aus allem besteht, was
Sommer ist."
Astrid Lindgren, Ronja Räubertochter
(– zitiert nach Astrid Lindgren, Steine auf dem Küchenbord. Gedanken
Erinnerungen Einfälle
gesammelt von Elisabeth Hohmeister Angelika Kutsch und Margareta
Strömstedt, Oetinger Hamburg 2000)
Freitag, 12. September 2003
... ein Kind zu sein
Es ist nicht leicht, ein Kind zu sein, nein!
Es ist schwer – sehr schwer sogar.
Was bedeutet es eigentlich, ein Kind zu sein?
Es bedeutet, dass man zu Bett gehen, aufstehe, sich anziehen, essen,
Zähne und die Nase putzen muss, wenn es den Großen passt und nicht einem
selbst. [...]
Es bedeutet ferner, dass man ohne zu klagen sich die persönlichsten
Bemerkungen von Seiten eines jeden Erwachsenen anhören muss, die das
eigene Aussehen, den Gesundheitszustand, die Kleidung, die man trägt, und
die Zukunftsaussichten betreffen.
Ich habe mich oft gefragt, was passieren würde, wenn man die Großen in
derselben Art behandeln würde.
Astrid Lindgren, Leserbrief 1939
(– zitiert nach Astrid Lindgren, Steine auf dem Küchenbord. Gedanken
Erinnerungen Einfälle gesammelt von Elisabeth Hohmeister Angelika Kutsch
und Margareta Strömstedt, Oetinger Hamburg 2000)
Samstag, 13. September 2003
Das stille Wasser
Das stille Wasser in der Morgendämmerung, der Steg, die grauen Steine
am Ufer, alles. Sie machte das Fenster auf und hörte den Gesang der
Vögel, der wie ein Jubel über sie hinströmte. Der kam aus vielen
kleinen Kehlen, aber lauter als alle hörte sie die Amsel im Mehlbeerbaum
singen. Sie war gerade aufgewacht, munter und voller Lebensfreude.
Astrid Lindgren, Ferien auf Saltkrokan
( – zitiert nach Astrid Lindgren, Steine auf dem Küchenbord. Gedanken
Erinnerungen Einfälle gesammelt von Elisabeth Hohmeister Angelika Kutsch
und Margareta Strömstedt, Oetinger Hamburg 2000)
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