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WORTE
vom 31.08.-06.09.2003
ausgewählt von Ilka Sobottka Mannheim,
Evangelische Kirche
Sonntag,
31. August 2003
Eines
Tages fragten in einem kleinen polnischen Schtetl die Schüler ihren
Meister, den Rabbi Israel Ben Elieser: »Wenn
Gott, gelobt sei sein Name!,
so allgegenwärtig ist, wie Du uns gelehrt hast, wie ist es dann möglich,
dass der kleine Mensch diesen großen mächtigen Gott nicht zu spüren
bekommt?« Die Antwort des Rabbi: »Sieh
die Sonne an. Sie ist Millionen mal größer als unsere Erde, aber, um die
Sonne aus dem Blick zu bekommen, braucht ein Mensch nur seine kleine Hand über
die Augen legen...«
Eines Tages beschlossen die Affen im Zoo, eine
Bildungsreise zu machen. Nachdem sie eine Weile gegangen waren, blieben
sie stehen und einer fragte:„Was gibt es zu sehen?“ „Den Löwenkäfig,
das Seehundbecken und das Giraffenhaus.“ „Wie groß ist doch die Welt
und wie viel lernt man auf Reisen!“ Dann gingen sie weiter, und erst am Mittag blieben sie
wieder stehen „Was gibt es denn jetzt zu sehen?“ „Den Löwenkäfig,
das Seehundbecken und das Giraffenhaus.“ „Wie seltsam ist doch die
Welt und wie viel lernt man auf Reisen!“ Sie machten sich wieder auf den
Weg, und erst bei Sonnenuntergang blieben sie stehen„Was gibt es denn zu
sehen?“„Den Löwenkäfig, das Seehundbecken und das
Giraffenhaus.“„Wie langweilig ist doch die Welt: Immer sieht man
dasselbe. Und das Reisen nützt wirklich nichts!“ So reisten und reisten
sie zwar, waren aber nie aus ihrem Käfig herausgekommen.
(Gianni
Rodari - italienischer
Kinderbuchautor)
Die Verkehrsampel auf
dem Domplatz in Mailand machte eines Tages etwas Wunderbares. Alle ihre
Lichter färbten sich auf einmal blau, und die Leute wussten nicht mehr,
wie sie sich verhalten sollten. Sollen wir über die Straße gehen oder
nicht? Sollen wir stehen bleiben oder nicht? Aus
sämtlichen Augen verbreitete die Ampel in alle Richtungen ein ungewöhnliches
blaues Signal. Das war so blau, wie der Himmel von Mailand noch nie
gewesen war. In der Erwartung daraus klug zu werden veranstalteten die
Autofahrer ein Hupkonzert. Die Motorradfahrer ließen den Auspuff
aufheulen. Und die dicksten Fußgänger schrieen: »Sie wissen wohl nicht
wer ich bin?!« Endlich kam ein
Verkehrspolizist und stellte sich mitten auf die Kreuzung, um den Verkehr
zu entwirren. Ein zweiter Verkehrspolizist suchte den Schaltkasten, um den
Schaden zu reparieren und schaltete den Strom ab. Bevor die blaue Ampel
ausging, Konnte sie gerade noch denken: »Ach,
die Armen! Ich hatte ihnen doch das Signal für freie Fahrt zum Himmel
gegeben. Wenn sie mich verstanden hätten, könnten sie jetzt alle fliegen
– Aber vielleicht
haben sie sich nicht getraut.«
(Gianni
Rodari – italienischer Kinderbuchautor)
Die Sonne und die Wolke
Die Sonne reiste in ihrem Feuerwagen
Über den Himmel
Froh und glorreich warf sie ihre Strahlen in alle Richtungen
Zum großen Ärger einer kleinen gewittrigen Wolke
Die brummte:
»Verschwenderin, Vergeuderin,
wirf nur deine Strahlen alle weg!
Du wirst schon sehen
was dir dann übrig bleibt!«
Jede Traube in den
Weinbergen
Stahl sich einen Strahl in der Minute
Oder sogar zwei.
Und da war kein Grashalm
Keine Spinne, keine Blume und kein Wassertropfen,
Der sich nicht seinen Teil genommen hätte.
»Lass dich nur von
allen bestehlen!
Du wirst schon sehen,
Wie sie es dir danken werden,
Wenn du nichts mehr hast,
Was man dir stehlen könnte.«
Die Sonne reiste vergnügt weiter
Und schenkte Millionen und Milliarden Strahlen
Ohne sie zu zählen.
Erst bei ihrem Untergang
Zählte sie die Strahlen,
Die sie noch hatte.
Und siehe es fehlte kein einziger.
Die Wolke löste sich vor Überraschung in Hagel auf.
Und die Sonne verschwand vergnügt im Meer.
(Gianni
Rodari – italienischer
Kinderbuchautor)
Eine
Erzählung der Chássidîm
Ein Geiger kommt in ein
jüdisches Städtchen in Polen und geht auf den Marktplatz. Er spielt auf
seiner Fiedel, und mehr und mehr Menschen kommen herbei, um ihn zu hören.
Seine Melodien sind so süß, dass die Geschäftsleute ihre Läden
verlassen. Die Handwerker verlassen
die Werkstatt, und alle versammeln sich auf dem Marktplatz, um die schöne
Musik zu hören. Schließlich sind die Leute von den herrlichen Melodien
so begeistert, dass sie sich an den Händen fassen und in einem großen
Kreis um den Fiedler herumtanzen. In
diesem Moment kommt aus der nächsten Stadt ein tauber Mann, der etwas
kaufen will. Er geht in die Geschäfte. Er geht zu den Handwerkern –
doch alles ist verlassen. Zuletzt kommt er auf den Markplatz. Da sieht er
etwas Eigenartiges: In der Mitte des Marktplatzes steht ein Mann, der ein
hölzernes Ding in seiner linken Hand hält und einen Holzstock mit der
rechten Hand hin und her führt. Und alle Leute tanzen und sehen froh und
vergnügt aus! Da kam er zu der Überzeugung, dass dieses ganze Schtetl
total meschugge geworden war.
(Abraham Heschel)
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