GEDANKEN vom 30.11.-06.12.2003

 

ausgewählt von Altfried G. Rempe, Trier, Katholische Kirche

 

 

Sonntag, 30. November 2003

Weihnachtsmann-freie Zone

Aufkleber an Briefkästen und Haus- oder Wohnungstüren, an manchen Autos auch – darauf das Gesicht von einem von diesen zwergenhaften Weihnachtsmännern, Bart, Knollennase rot, Zipfelmütze auf Wuschelkopf. Und das Porträt ist dick rot durchgestrichen. Drunter steht: "Weihnachtsmannfreie Zone".
Sind es etwa Weihnachtshasser, die ihr Terrain so zu schützen versuchen. Oder Leute, die gegen das Nikolausfeiern wären? Nein, es geht ihnen um das wirkliche Weihnachten und darum, den richtigen Nikolausbrauch wieder zu beleben.
Das meiste, was schon seit September/Oktober in den Supermärkten als "Schokoladen-" oder "Marzipan-Nikolaus" ausliegt: das sind ja in Wirklichkeit Weihnachtsmann-Figuren. Nikolaus ist nämlich eben kein Gartenzwerg mit Zipfelmütze und Geschenkrucksack.
Der Nikolausbrauch erinnert an den Bischof von Myra in der Türkei - im vierten Jahrhundert, also vor 1600 Jahren hat der gelebt. Nach den alten Erzählungen hat Nikolaus oft heimliche Geschenke verteilt und so dafür gesorgt, dass es den Armen in seiner Stadt ein bisschen besser erging.
Seit gut tausend Jahren gibt es in Deutschland den Nikolausbrauch: einer verkleidet sich als Bischof, erzählt vom heiligen Nikolaus und bringt kleine Geschenke. Coca Cola war es, die Firma mit der kaffeebraunen Limonade, die in den 1930er Jahren aus dem Weihnachtsmann eine Werbefigur gemacht haben; gekleidet in das original-rot von Coke...
Wer wirklich Nikolaus feiern will, mit den alten und heute immer noch aktuellen Geschichten; und für wen Weihnachten mehr ist als eine Geschenkeorgie, kann für sich und die Umgebung eine Weihnachtsmann-freie Zone schaffen. Oder, wie die Nikolausinitiative Frankfurt: Schokoweihnachtsmänner kaufen, vom Ausschneidebogen Bischofshut, Bischofsstab und Bibel ausschneiden und den Weihnachtsmann mit bisschen Uhu wieder umrüsten – zum Bischof Nikolaus.

 

Montag, 1. Dezember 2003

Propheten

Nie wollte ich noch einen Blondinenwitz machen. Aber den hier doch: Sitzen zwei auf einem Ast und sägen dran. Kommt eine Rothaarige vorbei: hej, wenn ihr so weitermacht, liegt ihr gleich auf der Nase.
Wenig später in der Unfallstation: die zwei Abgestürzten sind gut eingegipst; da kommt die Dritte vorbei. Flüstert die eine aus ihrem Gips der Kollegin zu: guck mal da – die Prophetin! Erst habe ich herzlich gelacht. Und mich dann gefragt: warum das eigentlich so witzig ist.
Klar, das weiß jede und jeder: man sägt nicht an dem Ast, auf dem man sitzt. Das kann üble Folgen haben. Und nur weil die beiden so ahnungslos sind, nennen sie die andere "Prophetin" aber: da liegen sie eigentlich ja doch ganz richtig. Wahrsager sagen voraus, dass etwas Unerwartetes passieren wird. Nachdem sie Karten gelegt haben oder in eine Glaskugel geschaut oder die Sterne berechnet.
Prophetinnen und Propheten dagegen machen auf etwas aufmerksam, was sozusagen schon auf der Hand liegt. Etwa der Prophet Amos, vor rund 2500 Jahren: ihr fälscht die Gewichte und Haut damit die Leute beim Einkauf übers Ohr, – und von dem ungerechten Gewinn macht ihr euch einen lauen Lenz – hielt er der Oberschicht vor. Damit werdet ihr nicht glücklich und Gott passt euer Treiben nicht, auch wenn ihr noch so fromm tut. Ist doch klar. Oder?
sie hatten es eben verdrängt, damit sie bequemer leben konnten. Und Propheten heute? Sie denken an einen Erzbischof in Südamerika, Oscar Arnulfo Romero. Der hat an das Selbstverständliche erinnert, dass Gott auf der Seite der Armen steht – besonders auf der Seite der vielen Armen, die unterdrückt sind von den paar Reichen und ihren Interessen.
Die Mächtigen haben ihn ermorden lassen – deswegen ist er nicht widerlegt. Und es liegt auf der Hand, auf wessen Seite Gott steht. Einige von den Reichen haben es inzwischen gemerkt. Bald vielleicht alle.......

 

Dienstag, 2. Dezember 2003

konjunktur-advent

Haben Sie Ihre Adventspflicht schon erfüllt? Adventskranz steht vermutlich auf dem Tisch. Eine Kerze hat bereits gebrannt. Die ersten zwei Türchen am Adventskalender sind schon offen. Aber adventliche Pflicht – das ist doch was ganz anderes. Jedenfalls wenn’s nach dem Bundeskanzler geht.
Weihnachten und die Weihnachtszeit – betrachtet er offensichtlich vor allem als letzte Chance für die konjunkturelle Wende. Die Steuerreform sollte vorgezogen werden; noch vor Ende November – dann hätten die Leute wieder Zuversicht und Hoffnung; und würden die Weihnachtszeit nutzen, um ihr Geld in die Kaufhäuser zu tragen, damit die Kassen klingeln. Wirtschaftswachstum 2003 noch auf den letzten Drücker, sozusagen. Hält der uns wirklich für blöd oder nur für so kurzsichtig? Ich fürchte: beides.
Tatsächlich klagt ja der Einzelhandel über die miese Stimmung und den Geiz der Leute. Haben sie sogar schon zum Werbeslogan gemacht. "Geil." Es würde zu viel abgewartet. Und diese miese Stimmung wollen sie aufgehellt sehen. Weihnachtszeit plus vorgezogene Steuerreform gleich Zuversicht, Hoffnung, Schluss mit dem Geiz...
Nein, Herr Schröder: dafür stehen wir nicht zur Verfügung, fürchte ich. Für Konjunktur und Wachstum muss Ihnen was besseres einfallen. Advent meint eigentlich was ganz anderes. Warten ja. Abwarten: Nein. Aber dass Menschen in Erwartung leben, in Hoffnung auf eine viel bessere Zukunft: ja, das stimmt. Sie sehnen sich eben nach mehr als was sie schon haben oder was sie noch kriegen können.
Es geht im Advent um wirkliches Leben – und dass es das anderswo gibt als im Kaufladen, das scheinen inzwischen wieder mehr Leute zu wissen als noch vor ein paar Jahren. Sie sind schließlich nicht blöd.

 

Mittwoch, 3. Dezember 2003

ScherbEngel

Scherben bringen Glück!? Das Sprichwort soll über den ersten Schrecken hinweg trösten, wenn die wertvolle Vase zerplatzt ist oder das spülmaschinenfreundliche Porzellanteil. In Wirklichkeit sind Scherben erst mal Zeichen für ein Unglück. Spiegel, Fenster, Krug, Tasse – einfach kaputt. Und das lässt sich meist auch nicht wirklich wieder reparieren. Geklebt hält es bestenfalls oberflächlich.
In Betlehem in Palästina, im heiligen Land, da wo alles angefangen hat mit einem gewissen Jesus, da haben sie in den letzten zwei Jahren wieder mal genug Scherben gehabt. Und auch da waren die Scherben keine Glücksbringer. Israelische Panzer und Soldaten waren eingerückt; in Wohnhäusern und Geschäften und sogar in kirchlichen Bildungshäusern haben sie Scherben hinterlassen – kaputte Fenster, in den Schränken zerdeppertes Geschirr – die Bilder waren schrecklich. Die Angst der Menschen groß.
Und die Verwüstung hält an – schon seit Jahren kommen kaum mehr Pilger oder Touristen in die Stadt, die doch von ihnen gelebt hat. Im Augenblick ist die Besatzungsarmee mal abgezogen, die Autonomieregierung hat wieder das Sagen. Es bleibt: zu wenig Einnahmen, kein Geld, kaum Hoffnung auf Frieden – aber genug Scherben überall.
Ich finde es eine tolle Idee, dass findige Handwerker in Betlehem angefangen haben, aus Scherben kleine Engel zu machen – sechs, sieben Zentimeter hoch vielleicht, ganz einfach die Glasstücke mit Metallstegen aneinander gelötet, so ähnlich wie man das bei Kirchenfenstern hat. Engel aus Scherben – so können die Spuren der Verwüstung vielleicht doch ein Zeichen der Hoffnung werden.
Jedenfalls wenn sich genug Leute finden, hier bei uns, die ein paar Euro ausgeben für so einen Scherbenengel – schöner Schmuck, richtige Friedenszeichen – das macht sich bestimmt gut am Weihnachtsbaum.

 

Donnerstag, 4. Dezember 2003

Patronin der Kanoniere

Auch Kanoniere haben eine Schutzheilige. Also Leute, die mit ihrem Arbeitsgerät Tod und Verderben über andere Menschen bringen... die mittelalterlichen Artilleristen haben sich die heilige Barbara ausgesucht – als Schutzpatronin und Ehrenjungfrau, sozusagen. Warum ausgerechnet sie?
Vermutlich, weil die Geschichte von ihrem Tod im dritten Jahrhundert so geht: Barbara war eine wissbegierige und kluge junge Frau. der Vater, ein römischer Kaufmann, wollte sie verheiraten; sie weigerte sich. Inzwischen hatte sie entdeckt, dass die römischen Götter nichts taugten und sich für den Gott der Christen entschieden.
Da konnte sie nicht einfach irgendeinen römischen Offizier heiraten. Ein Jahr Bedenkzeit gab der Vater ihr – aber das hat sie genutzt, um sich taufen zu lassen. Es gab lange Prozesse, sie wurde gefoltert und gedemütigt, und schließlich soll der Vater selbst sie enthauptet haben.
Da passiert es: ein Blitzschlag trifft den Vater. Und im Donner stirbt auch er. Blitz und Donner gegen die Feinde – das hat wohl auch die Artillerie auf Barbara als Schutzheilige gebracht.
Inzwischen gibt es in Bonn und Münster eine "Stiftung St. Barbara", die verfolgt geradezu entgegengesetzte Ziele: sie beseitigen Landminen, die seit den letzten Kriegen immer noch herumliegen. Über 120 Mitarbeiter sind auf dem Balkan und in Afrika an der Arbeit. Sie machen selbst Minen unschädlich; vor allem bilden sie Einheimische aus, damit die selber diesen gefährlichen Job machen können. Und außerdem hilft die Stiftung Zivilistinnen und Zivilisten, denen die Minen schlimme Verletzungen zugefügt haben – Jahre nach dem Krieg noch. Meist sind Kinder betroffen ...
Ich weiß nicht, ob die Minenleute an die heilige Barbara gedacht haben; wollten sie etwa die Schutzpatronin der Kanonen gezielt umprogrammieren? Jedenfalls stehen sie unter Gottes Schutz, und die heilige Barbara bittet für sie. Und wenn Stiftungen Namenstag feiern: heute ist St. Barbara. Glückwunsch also der Stiftung – und Euch auch, Bärbel und Barbara.

 

Freitag, 5. Dezember 2003

Bernd, das Brot

Er ist der heimliche Held nach Programmschluss des Kinderkanals: Bernd das Brot. Zwar ein unglücklicher Held. Eine Gummipuppe in Gestalt eines Kastenweißbrots. Leicht runzliger Blick, viel zu kurze Arme, tief pessimistisch. "Mein leben ist die Hölle", ist einer seiner Lieblingssätze.
Denn beim Treiben seiner Freunde Chili, das Schaf und Briegel, der Busch ist Bernd, das Brot meist der Loser. Aber irgendwie witzig. Besonders wenn er aktuelle oder alte Filme verulkt.
Gegen Harry-Potter-Rummel, geht er als Berndi Broter in die Zauberschule Blockharz bei Meister Dumdidum. An Silvester spielt er die Hauptrolle in "dinner für brot"... Bernd, das Brot weckt viele Gefühle. Ich habe Mitleid mit ihm. Weil er immer der Loser ist. Ich freue mich über den schwarzen Humor seiner Sprüche und manchmal über den hampeligen Slapstick. Ich zieh mir sogar die nächtliche Zuschauerbeschimpfung rein: "Ihr seid ja immer noch da! Schaltet endlich ab und geht schlafen!!!" macht richtig ein schlechtes Gewissen.
Aber ich habe ein anderes Problem: mit Brot spielt man nicht, haben wir als Kinder gelernt. Brot quer über den Tisch zu werfen: das war in meiner Familie verpönt. Und Sprüche wie "der ist dumm wie Brot" finde ich unerträglich – weil eben Brot viel mehr ist als so ein weiches Supermarkttoast. Brot ist das Symbol für Leben und für die Nahrung, die die Schöpfung den Menschen gibt.
Gottes gute Gabe für uns. Symbol übrigens auch für die Arbeit der Menschen. Und für Christen auf dem Tisch beim Abendmahl die Erinnerung an Jesus von Nazaret... das kriege ich irgendwie nicht zusammen mit Bernd, dem Brot und seinen Geschichten. Aber den Zwiespalt kann ich aushalten. Und jetzt, zu Nikolaus, gibt’s auch bei uns zu Hause Figuren aus Brot. Weckmänner heißen die hier in der Gegend – sie erinnern daran, dass unser Leben meist nicht nur die Hölle ist; da geht es uns besser als Bernd, dem Brot.

 

Samstag, 6. Dezember 2003

Friedensstifter

Wenigstens einmal im Jahr hatten wir Kinder unsere Schuhe richtig sauber geputzt – am oft matschigen fünften Dezember war das immerhin schon eine Leistung. Und dann haben wir sie an der Haustüre aufgereiht, abends, und sind morgens sofort hin gelaufen – ganz gespannt, ob Nikolaus wieder gekommen war. Gesehen haben wir ihn als Kinder nie – und gesehen hatte den Nikolaus ja auch damals niemand, um das Jahr 300.
Da hat er die drei Töchter eines armen Nachbarn davor bewahrt, dass sie sich als Prostituierte hätten verkaufen müssen. Nikolaus hatte gerade seine Eltern verloren, und die hatten ihm einen ansehnlichen Besitz hinterlassen. Als er vom Elend der drei Mädchen in der Nachbarschaft hörte, tat er ziemlich viel Geld in ein ziemlich großes Säckchen und warf es nachts durchs Fenster in die Küche der Nachbarsfamilie.
Aber das half gerade mal, die älteste Tochter vor der Straße zu bewahren – für die beiden anderen hat Nikolaus dann noch nachgelegt. Erst später ist er übrigens Bischof geworden, in Myra in der heutigen Türkei.
Aber das blieb sein Stil: wenn er irgendwo etwas von einem Menschen in Not hörte, griff er gern ein. So wie während einer Hungersnot. Da hat er ein paar Schiffskapitänen bei einer Zwischenlandung im Hafen ein Zehntel ihrer Getreideladung abgeschwatzt – die haben es hergegeben; und angeblich fehlte dann am Zielort kein Gramm...
Und direkt in die Politik und ins Kriegshandwerk soll er eingegriffen haben – einen Bürgerkrieg verhindert, indem er die Anführer der Soldateska zu sich zum Essen eingeladen hat. Und die haben dann dafür gesorgt, dass ihre Söldner aufhören, das Land auszuplündern. An den und an seine Geschenke und die anderen Taten erinnern die Schuhe, die am Nikolausabend rausgestellt werden.
Hatten Sie auch was drin heute morgen?