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GEDANKEN
vom 02.-08.11.2003
ausgewählt von Altfried
G. Rempe, Trier, Katholische Kirche
Sonntag, 2. November
2003
Allerseelen
Mama, wo ist die Oma jetzt!? Jan kann noch nicht verstehen, dass
die Oma gestorben ist. Die Oma ist im Himmel, wird die Mutter sagen;
und da geht es ihr ganz gut.
Das wird sie vermutlich sogar sagen, wenn sie selbst es kaum mehr
richtig glaubt oder versteht. Dabei ist das eine der wichtigsten
Fragen überhaupt: was wird mit uns sein, wenn wir nicht mehr sind.
Christinnen und Christen können daran glauben, dass ihre Zukunft
Leben sein wird – Leben in einer anderen Form über den Tod hinaus,
wie er täglich stattfindet. Leben bei Gott, sagt der christliche
Glaube dazu. Allerdings haben die Christen alter Zeiten sich
überlegt, ob denn wirklich alle Menschen nach ihrem Tod in den Himmel
kommen – in dieses Leben bei Gott, in Glück und Liebe und geliebt
werden für immer.
Wäre doch ungerecht, haben sie gesagt: dann wäre ja egal, wie sie
gelebt haben: gut oder schlecht, liebevoll oder rücksichtslos. Und
Jesus sagt ja auch, dass beim Gericht Gute und Böse sortiert werden;
in die Hölle die Bösen und in den Himmel die anderen... Und solche,
die nicht richtig schlecht gewesen sind – aber eben auch nicht
richtig gut? Für die soll es eine Art Reinigungsraum geben. Ein
Fegefeuer. Eine Zeit, die sie befreit von den Spuren des Bösen. Und
da muss dann natürlich fast jeder und jede erst mal hin – nobody
ist schließlich perfect.
Heute ist Allerseelentag; da denken die Katholiken besonders an die
Toten, die noch in diesem Fegefeuer sind. Beten darum, dass Gottes
Liebe auch die schnell zu sich in den Himmel holt.
Ich bin sicher: Gott tut das sowieso. Gott ist pure Liebe. Sie kann
auf Rache ebenso verzichten wie auf Strafe nach dem Tod. Ich denke
heute einfach an die Toten, die ich als Lebende gekannt habe. Und an
die vielen, die ich nicht kenne – und mit denen ich doch die gleiche
Hoffnung habe.
Hoffnung auf ein wirkliches neues Leben bei Gott, der uns Menschen
liebt – auch über den Tod hinaus. Und ob das Fegefeuer heiß ist
oder kühl, voll oder leer: ich kann und muss es nicht wissen.
Montag, 03. November
2003
Vom Hirschen
So einen großen Hirsch hatte er noch nicht gesehen. Und dieser
hier hatte auch noch ein leuchtendes Kreuz zwischen seinen riesigen
Geweihstangen... Der Jäger Hubertus ließ die Jagd sein und wurde
Kirchenmann.
Einen Hubertus hat es tatsächlich gegeben. Der stammte wohl aus
Südfrankreich, aus der nähe von Toulouse – er hatte am
Königshof in Paris gelebt, intrigante Gegenspieler hatten ihn in
die Flucht geschlagen, er hatte in Lothringen geheiratet, seine Frau
war bei der Geburt ihres ersten Kindes gestorben. Hubertus ist in
die finsteren Ardennen gegangen, in das Gebirge zwischen Eifel,
Luxemburg und dem heutigen Belgien.
In Wirklichkeit war er wohl kein Jäger; so viele Schicksalsschläge
hatten ihn zum Einsiedler gemacht. Aber nach sieben Jahren meinte
er, dass Gott ihn für was anderes brauchte. So wurde er Missionar
in den Ardennen, bis nach Brüssel hinüber; später war er auch
Bischof in Tongern und Lüttich. Das ist knapp 1300 Jahre her –
und damals wie heute wollten die Leute gerne wissen: warum
entschließt sich jemand, sein bisheriges Leben aufzugeben, und wird
so was seltsames wie Missionar. Warum hat heute noch jemand Lust, in
der Kirche mitzuarbeiten – vielleicht sogar als Priester, also
ohne Frau und Kinder zu leben...
Ich habe entdeckt, wie der Glaube mein Leben erweitert – es macht
mir Freude, auch mit anderen darüber zu reden, was sie mit dem
Glauben erleben und welche Erfahrungen ich mache.
Da erzählen wir uns auch Geschichten – Geschichten vom Leben und
davon, wie Gott uns im Alltag näher kommt. Ohne Hirsche mit Kreuzen
im Geweih.
Damals, wo die Leute sich gerne solche Wundergeschichten erzählt
haben, da ist ihnen für die Berufung des Hubertus die Story mit dem
Hirsch und dem Kreuz im Geweih eingefallen.
Solche Art Visionen sind heute eher selten. Ich habe andere
Erklärungen. Aber dass mir und anderen schon mal ein ziemlich
großes Licht aufgeht – das ist doch auch ein Grund, mitzumachen
bei der Sache mit Gott.
Dienstag, 04.
November 2003
Die wichtigste Frau für ihn
Entwarnung für die Mütter: eure Rolle bei den Männern ist
unangefochten – nicht nur, wie das Klischee überliefert, für
Italiener bleibt la Mamma die wichtigste Frau ihres Lebens – Mario
Kopper, der Tatort-Kommissar an Lena Odenthals Seite, führt es
immer wieder vor.
Nein, auch den Deutschen ist die Mama das wichtigste Vorbild; auf
dem zweiten Platz übrigens Mutter Teresa, Bronze hat der eigene
Vater, Jesus liegt vor Günter Jauch auf Platz zehn... Der
"Stern" hat es herausfinden lassen. Repräsentativ
geforscht. Auch für die 14- bis 29-jährigen an der Spitze: meine
Mutter.
Na gut, sagt der Psychologe. Die Mutter ist die erste große
Beschützerin des Menschen. Sie ernährt das Baby, wärmt es, gibt
ganz viel körperliche Nähe. Und der Vater, immerhin eben auf Platz
drei, verheißt ebenfalls Sicherheit, Klarheit in einer
unübersichtlichen Welt, in der gerade die jungen Leute von heute
immer weniger durchblicken.
Aber das sollte sich doch legen, beim – sagen wir mal - Twen, so
ab zwanzig, einundzwanzig. Wenn sie dann auf eigenen Füßen stehen,
auch auf Freiersfüßen... Oder soll man es einfach unter
"Bequemlichkeit" verbuchen, Rückzug ins private,
familiäre sozusagen? Weil Mensch sich da nicht groß informieren
muss, sondern einfach nur in der Nähe schaut?
Gegen diesen Verdacht steht Mutter Teresa auf dem zweiten Platz,
auch Jesus auf zehn ist ja nicht unbedingt "bequem". Und
zwischen denen rangieren Nelson Mandela, Michail Gorbatschow, Albert
Schweitzer, Mahatma Ghandi, Martin Luther King; immerhin Vorbilder,
die ja auch zu eigener Aktion herausfordern ... (George W. Bush hat
übrigens Platz 197).
Ich finde es schön für uns Eltern und wirklich beeindruckend –
und außerdem erinnere ich einfach daran, dass das ja auch das
vierte der zehn Gebote in der Bibel ist: du sollst deinen Vater und
deine Mutter ehren. Dann wirst du lange leben. Müssen wir nur noch
beweisen, dass wir der Vorbildrolle gewachsen sind!
Mittwoch, 05.
November 2003
Gesund oder krank
Freudige Nachrichten aus den Betrieben: der Krankenstand sinkt
kontinuierlich; weniger Menschen als je bleiben wegen Krankheit von
der Arbeit weg. Nicht dass wir alle auf einmal gesund geworden
wären. Es ist die Angst um den Arbeitsplatz; da werfen viele sogar
bei Fieber paar Aspirin ein und schleppen sich eben doch an die
Werkbank oder ins Büro. 70 Prozent würden auch dann noch losgehen,
wenn sie sich eigentlich zu krank fühlen.
Ärzte bestätigen das: inzwischen kommen viele erst in die Praxis,
wenn die Lungenentzündung kurz bevorsteht. Zu spät also.
Angst um den Job – und dazu kommt noch Rücksicht auf die
Kolleginnen und Kollegen: in den vielen kleinen Belegschaften muss
die Arbeit des kranken Kollegen mit gemacht werden – oder sie
bleibt eben liegen. Der Gedanke hat mich letzte Woche auch
losgescheucht, obwohl mir ganz anders war.
Alles mögliche scheint wichtiger als der Mensch und seine
Gesundheit. Wirtschaftliche Zwänge, Rücksicht auf andere, die
Arbeit, die liegen bleibt...
Jesus aus Nazaret hat die Werte anders besetzt. Steht am Feiertag,
am Sabbat, eine Frau vor ihm, im Gottesdienst; die ist schon ganz
krumm geworden unter der Last ihres Lebens, kann kaum aufblicken,
hat wahrscheinlich massive Atemprobleme, weil die Lunge schon ganz
beengt ist. Jesus fasst sie an und sagt: Frau du sollst gesund sein.
Und sie richtet sich auf und singt halleluja... Da greift der
Gemeindevorsteher ein – schließlich ist Feiertag, auch für einen
Arzt oder einen Wunderheiler.
"Sechs Tage lang ist Sprechstunde – kommt dann und lasst euch
behandeln!" Aber das lässt Jesus sich nicht gefallen:
"Das ist scheinheilig. Auch am Feiertag bindet ihr doch euren
Ochsen los und führt ihn zur Tränke – und ich soll diese
Schwester in den Fängen ihrer Krankheit lassen!?"
Da steht der Mensch im Mittelpunkt, ihre Gesundheit, ihr
Lebensglück. Bei Jesus. und hoffentlich bald auch wieder bei uns...
Donnerstag, 06.
November 2003
Wo lassen sie beten?
In den letzten Tagen tut sich ein tiefes, dunkles Loch vor mir
auf; ich habe Angst, da hinein zu fallen. Ich bitte im Gebet für
Frieden in meiner Familie. Es ist dringend. Ich weiß mir keinen Rat
mehr. Danke.
Solche und ähnliche Gebetsanliegen kommen täglich per e-mail bei
den Benediktinerinnen in Trier an. Und gleichzeitig in weiteren
vierzig Klöstern im Bistum Trier – auch im Saarland. Wer im
Internet www.bistum-trier.de
wählt und auf "Ordensleute beten für sie" klickt, kann
dort auch ganz persönliche Anliegen eingeben; die werden sofort an
die vernetzten Klöster weitergeleitet. Und dort werden die Menschen
und ihre Bitten meistens noch am gleichen Tag ins Gebet genommen.
Wo, bitte, lassen Sie denken – so fragten spöttische Graffitis in
den wilden sechziger und siebziger Jahren. Die linken Studenten
wollten die Denkfaulheit der Bürger anprangern. Muss die Frage
jetzt neu gestellt werden: wo bitte, lassen sie beten? Ach nein,
Spott verbietet sich wohl.
Es kommt einfach vor, dass Menschen nicht mehr weiter wissen; ich
brauche eine Hilfe, die mir kein Mensch geben kann, – aber beten?
Kann ich nicht oder nicht mehr oder noch nicht.
Und da macht es doch durchaus Sinn, dass es Männer und Frauen gibt,
die sich in ihrem Kloster Zeit nehmen für die Not anderer Menschen.
Sie stellen oder knien sich als Stellvertreterinnen oder
Stellvertreter vor Gott hin. Erzählen Gott von der Angst einer
Mutter um ihren Sohn, klagen mit einer Kranken über ihre Schmerzen
– und wenn ein Schüler die Mathearbeit gut geschrieben hat, kommt
auch schon mal ein dickes "danke" ins Gebet.
Natürlich wissen Schwester Mirjam in Trier und die anderen
Ordensmenschen, dass sie Gott nicht manipulieren können. Sie beten
für die Leute draußen mit ihrem Leid und mit ihrer Freude, weil
sie darauf vertrauen, dass Gott eben das Beste für die Menschen
will, sagt Schwester Mirjam – auch wenn dann die Wünsche nicht
immer eins zu eins in Erfüllung gehen.
Wo lassen Sie beten? Im Zweifel versuchen Sie es doch auch mal bei www.bistum-trier.de!
Freitag, 07.
November 2003
Wirtschaftskrimi
Wirtschaftskriminalität – in der Bibel, vor zweitausend
Jahren: ein Firmenmanager gerät in Verdacht, dass er das
Betriebsvermögen verschleudert. Der Vorstand wird unangenehm: was
hören wir da? Du kannst nicht länger unser Manager sein. Da
überlegt der sich: ich verliere meinen Job. Was soll ich tun?
Schwer arbeiten kann ich nicht, zu betteln schäme ich mich. Doch -
ich weiß, was ich tun muss, damit die Leute auch dann noch zu mir
stehen, wenn ich hier abserviert bin. Und er lässt die Schuldner
seiner Firma, zu sich kommen, einen nach dem andern, und fragt den
ersten:
Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert fass Öl. Da sagt
er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin, und
schreib «fünfzig».
Dann fragt er einen andern: Wie viel bist du schuldig?
Hundert Sack Weizen. Zu dem sagt er: Nimm deinen Schuldschein und
schreib «achtzig».
Jesus von Nazaret hat diese Geschichte erzählt. Und am Ende lobt
Jesus den kriminellen Manager auch noch ...
Also ehrlich: mit der Bibel kann man anscheinend alles begründen!?
Könnten sich womöglich auch die Mannesmann-Männer drauf berufen,
die jetzt der Untreue angeklagt sind? Überzogene Abfindungen,
heißt es...
Sieht so aus, wenn man rausgerissene Zitate verwendet. Ich sehe das
so: Jesus war eben Realist. Ein Blick in die Wirtschaft seiner Zeit
– war offensichtlich ähnlich wie unsere - und er hat
festgestellt: so geht’s nun mal ab. Aber dann kommt sein
Kommentar: »Die Kinder dieser Welt, sagt Jesus, sind im Umgang mit
ihresgleichen eben klüger als die Kinder des Lichtes. « Und
schlägt vor: genau so klug sein – aber mit dem richtigen Ziel:
»Nutzt ihr das elendige Geld dazu, anderen Wohltaten zu erweisen.
Am ende werden sie bei Gott für euch eintreten.«
Schuldenerlass denke ich, würde Jesus zum Beispiel heute
auch fordern; und zwar für die ärmsten Länder. Wirkliche
Wohltaten eben für andere – statt egoistische Gefälligkeiten.
Samstag, 08.
November 2003
Ein Wahltag
Haben Sie auch die Wahl? Wenn Sie katholisch sind und in Hessen,
Rheinland-Pfalz oder an der Saar leben – dann können Sie heute
und morgen Ihren neuen Pfarrgemeinderat wählen.
Na gut, der Wahlkampf war weniger hitzig als vor der Bundestagswahl.
Parteien spielen keine Rolle. In manchen Pfarreien soll es sogar ein
bisschen schwierig gewesen sein, genug Kandidatinnen und Kandidaten
zu finden. Manche wissen eben nicht so genau, was sie da eigentlich
zu sagen haben. Kann man denn in der katholischen Kirche
mitbestimmen?
Ja, man und frau kann. Jugendliche übrigens auch. Wahlrecht schon
ab sechzehn. Aktiv und passiv. Mitbestimmen tun sie, hoffentlich,
mit ihrem Stimmzettel jetzt am Wochenende. Mitbestimmen können sie
noch besser, wenn sie gewählt werden. Pfarrgemeinderäte kümmern
sich um alles, was in der Gemeinde wichtig ist: dass neu zugezogene
Familien besucht werden; dass die Gottesdienstzeiten am Samstag und
Sonntag günstig liegen.
Manche gestalten den Sonntagsgottesdienst auch mit, gelegentlich
gibt’s Gespräche über die Bibeltexte. Es gibt Ausschüsse für
die Öffentlichkeitsarbeit und für soziale Fragen – und
natürlich hat ein guter Pfarrgemeinderat auch so etwas wie einen
Festausschuss. Machen die alles selbst?
Und was passiert, wenn der Pfarrer anders will als die
Ratsmitglieder? Solche Fragen kommen immer mal wieder. Natürlich
funktioniert so ein Gremium um so besser, je mehr sich alle einig
sind. Und ein Pfarrer wird vermutlich lieber auf den Rat hören, als
gegen ihn zu agieren.
Ausnahmen gibt es, und da wird’s dann gelegentlich problematisch.
Und alleine kann und muss der Pfarrgemeinderat es nicht machen. Eine
Gemeinde wird dankbar sein, dass Leute ehrenamtlich bereit sind,
sich ihre Gedanken zu machen – und was die dann beschließen, da
werden sie vermutlich doch auch mittun.
Ich glaub schon, es lohnt sich zu wählen. Wer mitmacht, erlebt
Gemeinde.
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