GEDANKEN vom 01.-07.06.2003

 

ausgewählt von Ambros Tremel, Ludwigshafen, Katholische Kirche

 

 

Sonntag, 1. Juni 2003

Ökumenischer Kirchentag - Ihr sollt ein Segen sein

Katholiken sind anders! So feiern wir keine Konfirmation, sondern statt dessen Weißen Sonntag und Firmung. Wenn wir heiraten, dann gibt es für uns nicht die Möglichkeit der Scheidung, sondern es heißt: "bis dass der Tod uns scheidet."
Im Gottesdienst geht es recht bunt zu. Messdiener assistieren dem Pfarrer, Lektoren lesen aus der Bibel vor und Kommunionhelfer teilen das heilige Brot aus. In vielen Kirchen kommt auch noch das Weihrauchfass mit seinen herrlichen Düften zum Einsatz. Und bei der Beerdigung fehlt nie der obligatorische Weihwasserkessel. Denn Wasser ist nicht nur Zeichen für das neue Leben bei der Taufe, sondern auch für das neubeginnende Leben nach dem Tod.
Katholiken sind anders! Warum auch nicht? Warum sollten alle kirchlichen Gemeinschaften es überall gleich machen? Gerade die Andersartigkeit macht doch das Leben erst interessant. Beim ökumenischen Kirchentag hat man das begriffen und deshalb im Motto keine Einheit, Einheitlichkeit oder Gleichmacherei gefordert. Das Motto heißt vielmehr: "Ihr sollt ein Segen sein!" Nicht die Unterschiede sollen betont werden, sondern der gemeinsame Auftrag. Als katholische und evangelische Christen an einer gerechten und schönen Welt mitzubauen. Gutes zu Bewirken. Wie Jesus, Menschen zu helfen, zu heilen, für sie da zu sein. Eben: ein Segen für die Welt sein. In meinen Augen ein guter Weg:
Ökumene braucht sich nicht an der Andersartigkeit des anderen zu reiben, sondern sollte auf das gemeinsame Ziel schauen: für unsere Welt zum Segen werden.

 

Montag, 2. Juni 2003

Sattmacher

Sattmacher! Das steht auf einem leeren Teller. Ein Mensch hält den Teller in der Hand und zeigt ihn der Bundesregierung. Halt - nicht einer - Tausende sind es. Sie alle haben sich mit dem leeren Teller in der Hand fotografieren lassen und die Fotos werden heute in Berlin vom Weltladen-Dachverband übergeben. Denn es gilt, auf ein immer noch drängendes und großes Problem aufmerksam zu machen: Hunger auf der Erde. Und das, obwohl statistisch gesehen genügend Nahrungsmittel für alle produziert werden. Pro Kopf wird heute nämlich deutlich mehr produziert als noch vor 20 Jahren. Auch der Handel mit Nahrungsmitteln hat weltweit zugenommen.
Und trotzdem gibt es für so 800 Millionen Menschen keinen Sattmacher! Und das liegt nicht nur daran, dass diese Menschen zu arm wären, sich Lebensmittel zu kaufen, sondern es liegt vor allem daran, dass kleinbäuerliche Betriebe in den Ländern der sogenannten Dritten Welt systematisch kaputt gemacht werden. Und zwar durch unsere Steuergesetzgebung im Westen. Ein landwirtschaftlicher Betrieb in der EU oder der USA wird vom Staat deutlich subventioniert, um seine Produkte möglichst billig exportieren zu können. So billig, dass ein Bauer in Afrika, der nicht über westliche Agrartechnologie verfügt - preislich nicht mithalten kann. Die Folge: der afrikanische Kleinbauer wird in den Ruin getrieben und stellt seine Produktion ein, kann vielleicht nicht einmal mehr für den Eigenbedarf produzieren. Damit schrumpfen Selbstversorgung und das Angebot auf lokalen Märkten. Die Folge: Hunger.
Doch daran kann sich etwas ändern: Zuerst mein Bewusstsein, dass nicht die Armen zu faul sind um Lebensmittel anzubauen, sondern unsere Agrar-Subventionen Entwicklungen in der Dritten Welt behindern. Und als nächstes kann ich dabei mithelfen politischen Forderungen nach mehr Gerechtigkeit im weltweiten Agrarhandel Gehör zu verschaffen. So wie mit der Sattmacher-Aktion: damit unsere Regierung merkt: wir können etwas gegen den Hunger in der Welt tun.

 

Dienstag, 3. Juni 2003

Fast 50 Kriege weltweit

Die Welt ist 63 cm breit. Das nämlich ist die Bildschirmdiagonale eines Fernsehers. Und als die Nachrichten rund um die Uhr über den Irak berichteten, war der Irak die Welt.
Keine Kamera stand im Kongo: dort starben zur selben Zeit über 1000 Menschen bei Kriegsgefechten ohne dass es jemand mitbekommen hätte.
Keine Kamera stand in Angola, Burundi, der Elfenbeinküste, dem Kongo, Liberia, Nigeria, Ruanda, Senegal, Sierra Leone, Indien, Myanmar, Birma.
Weltweit toben fast 50 Kriege: Bloß weil davon nicht berichtet wird - heißt das noch lange nicht, dass es diese Kriege nicht gibt.
Ich bin froh, dass die Weltöffentlichkeit beim Krieg im Irak aufgeschrieen hat. Ich bin froh um jeden Demonstranten, der dabei auf die Straße gegangen ist oder den Weg in die Kirche fand. Aber ich habe Angst davor, dass besondere Katastrophen-Highlights unsere ganze Aufmerksamkeit beanspruchen, während anderes übersehen wird. Dass nur denen geholfen wird, über die das Fernsehen berichtet und alle anderen in Ruhe und unbeobachtet von der Weltöffentlichkeit in ihrem Elend stecken bleiben.
Deshalb bemühe ich mich, mich von der sehr einseitigen Sicht der Medien nicht zu sehr blenden zu lassen und statt vier Wochen intensiv für Frieden im Irak, kontinuierlich für den Frieden in der Welt einzutreten.
Der Einsatz für den Frieden ist für mich nämlich nichts, was mal eben "in" ist, sondern etwas das unser aller langen Atem braucht.

 

Mittwoch, 4. Juni 2003

Nonnen beten für den Fußballsieg

"Schwester, würden Sie uns einen Gefallen tun." Vor dem Kloster stehen einige Fußballfans. Die Schals wehen in den Vereinsfarben. Einer hat eine Fahne dabei. Das entscheidende Spiel beginnt bald. Die Nonne lächelt sie an: "Worum geht es denn?"
Einer der Fans hält ihr eine Kiste Äpfel hin: "Die ist für Sie und Ihre Mitschwestern. Aber dafür müssen Sie für uns beten. Wir müssen heute einfach gewinnen. Bitte."
Keine erfundene Geschichte, sondern kürzlich in einem belgischen Ort tatsächlich passiert.
Was hätte die Schwester da antworten sollen: vielleicht:
"Na hören Sie mal! Wir beten doch nicht für einen Fußballverein. Glauben Sie im Ernst, dass Gott sich auch nur im mindesten dafür interessiert, ob Ihre Mannschaft gewinnt oder verliert? Die sollten mal mehr trainieren, dann würden sie auch besser spielen. Außerdem brauchen die einen neuen Stürmer."
Hätte die Nonne sagen können. Oder hätte sie sagen sollen:
"Eine Kiste Äpfel ist ja wohl ein bisschen wenig für ein Erfolgsgebet. Legen sie mal noch 10 Euro drauf, dann beten wir heute Mittag ein Vater unser extra für ein Unentschieden. Und wenn sie noch ein paar Trauben hätten, beten wir noch ein weiteres Vater unser und dann könnte es auch mit dem Sieg klappen."
Hat die Schwester beides nicht gemacht. Sie hat die Äpfel genommen und sich gefreut und zugesagt für die Mannschaft zu beten. Und ich kann mir auch vorstellen was sie Gott gesagt hat: "Hör mal Gott. Da waren gerade ein paar Fußballfans bei mir. Ganz liebe Kerle. Die haben uns sogar eine Kiste Äpfel mitgebracht. Die machen sich Sorgen ihr Club könnte heute verlieren. Wäre schön, wenn Du sie spüren lässt, dass Du bei Ihnen und ihrem Fußballspiel bist. Dann können sie ihre Mannschaft um so besser anfeuern. Und wenn die Mannschaft merkt, dass sie so tolle Fans hat , findet sie vielleicht die Kraft zu gewinnen."

 

Donnerstag, 5. Juni 2003

Spenden Ja, aber richtig

Ende April 1999: Höhepunkt der Kosovokrise. Bundeswehrflug Köln-Bonn-Skopje. Ladung: gebrauchte Matratzen für Flüchtlinge. Flugdauer zwei Stunden, Kosten der Transall pro Flugstunde rund 4000 Euro. Wert der Ladung: einige hundert Euro. Was auf den ersten Blick wie gute humanitäre Hilfe aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als kontraproduktive Maßnahme. Denn in Skopje stand die größte Matratzenfabrik des ehemaligen Jugoslawien. Militärmaschinen und LKW brachten Matratzen in das Land, während der Fabrikdirektor wegen fehlender Aufträge Mitarbeiter entließ. Der Exportmarkt der Fabrik in das ehemalige Jugoslawien war nach Ausbruch des Krieges von einem auf den anderen Tag weggebrochen. Die arbeitslosen Einheimischen wurden ihrerseits hilfsbedürftig. Die Absender handelten in guter Absicht, aber ohne die lokalen Möglichkeiten zu kennen und zu berücksichtigen.
Gut gemeint war auch eine Hilfssendung alter Herde und Kühlschränke nach Bosnien. Einige Deutsche hatten sich gesagt: "Die werden das schon brauchen. Und: besser als auf den Sperrmüll werfen." Nicht bedacht hatten die schnellen Helfer, dass der Balkan ein anderes Stromnetz hat. Das Ganze musste als Schrott in Bosnien entsorgt werden.
Die Caritas rät deshalb jedem, der helfen will, sich in die Haut des Hilfesuchenden hineinzufühlen. Was braucht er wirklich? Ist er mit dem was er von mir bekommt vertraut, Kennt er es? Könnte ich ihm nicht auch mit etwas aus seiner Umgebung helfen? Lieber erst einmal vor Ort die Möglichkeiten ausloten, als gut gemeint schnell irgendetwas locker machen. Das gilt für die kleine Hilfe zwischen Nachbarn genauso wie für große humanitäre Aktionen. Denn Gut gemeint ist noch lange nicht gut.
Auch wenn es unpersönlicher aussieht - eine Geldspende an eine große Hilfsorganisation kann mehr bewirken als der gut gemeinte Versand der falschen Dinge.

 

Freitag, 6. Juni 2003

Luxus

Was ist echter Luxus?
Wenn ich mir nicht nur einen Rolls Royce leisten kann, sondern auch einen Chauffeur dazu? Wenn meine Yacht länger als 12 Meter ist? Oder wenn auf meinem Privatflugplatz ein eigener Jet steht?
Mit Luxus assoziieren wir immer noch teure Parfums, die 1. Klasse auf der Titanic oder auch den Wiener Opernball. So ein bisschen Snobismus eben.
Aber diese Art von Luxus gehört für mich schon längst der Vergangenheit an. Denn echter Luxus ist für mich etwas ganz anderes: Echter Luxus ist: Nichts kaufen zu müssen. Keine Statussymbole zu benötigen, sondern es mir leisten zu können alles wegzulassen, ohne Angst zu haben in die Leere zu fallen oder ins Ungewisse einzutauchen.
Wer wirklich (innerlich) reich ist, kann sich Wurstsalat anstelle von Kaviar leisten.
Nicht: mehr Geld, mehr Güter, mehr Konsum, noch mehr Äußerlichkeiten, sondern mehr Raum, mehr Zeit, mehr Ruhe und Muße. Das ist Luxus. Und daran messe ich ob ein Mensch reich ist, eben innerlich und nicht äußerlich.
Wenn man Luxus so versteht, verliert das Wort endlich seinen negativen, leicht sündigen Beigeschmack und wird zu etwas Schönem, Erstrebenswertem. Etwas, was wir uns wirklich für unser Leben wünschen dürfen, und was sich jeder leisten sollte: mehr echten - inneren - Luxus.

 

Samstag, 7. Juni 2003

Ausländer

Auf dem Plakat sieht man einen Goldhamster - ein ganz süßes Tier. Es handelt sich um Fredi, Syrer, zwei Jahre. Daneben der Schriftzug: Wenn es so einfach ist, einen Einwanderer aus Syrien zu akzeptieren. Wo ist dann eigentlich das Problem?
Auf dem nächsten Plakat sieht man einen Goldfisch, Blubber, Chinese, 3 Jahre alt. Daneben der Schriftzug: Wenn es so einfach ist, einen Einwanderer aus China zu akzeptieren, wo ist dann eigentlich das Problem.
Fredi und Blubber gehören zu den Nicht-Deutschen, die inzwischen von keinem mehr als "Ausländer" wahrgenommen werden. Sie gehören ganz selbstverständlich zum Alltagsleben dazu. Keiner stört sich daran, dass ein Hamster ein Ausländer ist. Keiner fordert "Goldfische raus". Warum sich viele leichter tun, ein Tier zu akzeptieren als einen Menschen?
Die Plakataktion des Ausländerbeirats in Saarbrücken mit Hamster und Goldfisch ist schon zwei Jahre alt - aber wie die christliche Botschaft "Liebe Deinen Nächsten" nach wie vor aktuell.