WORTE vom 25. - 31. August 2002

 

ausgewählt von Stephan Wahl
Katholische Kirche

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 25. August 2002

Aus dem Hohelied, dem Liebesgedicht der Bibel:

Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz
wie ein Siegel an deinen Arm!
Stark wie der Tod ist die Liebe
die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt.
Ihre Gluten sind Feuergluten
gewaltige Flammen.
Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen
auch Ströme schwemmen sie nicht weg.
Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses,
nur verachten würde man ihn.

 

Montag, 26. August 2002

Ein Wort von Dieter Hüsch

Posthum 

Und Gott sprach zu den Wesen die nun auf der Erde sich tummelten
Wenn ihr tief genug grabt oder geduldig die Angel auswerft
dann wird auch die Stunde kommen wo ihr auf Menschen stoßt
die ich nach meinem Bilde dereinst gemacht
die aber nach ihrem Bilde leben wollten
sich mit Schmutz und Gift bewarfen bis sie schließlich
darin ertrunken, erstickt oder verdurstet sind
weil jeder mit seinem Besen den Schutt vor des anderen Tür kehrt
solange bis Wälder und Flüsse Kapellen und Kirchen
Häuser und Hütten Kinder und Kegel nicht mehr zu sehen
sondern nur noch zu riechen waren…. 

(Aus „Posthum“ in: „Das Schwere leicht gesagt“)

 

 

Dienstag, 27. August 2002

Ein Liebesgedicht von Erich Fried

Dich 

Dich nicht näher denken 
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist

Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter

Dich denken und mich nach Dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben

so wie du wirklich bist 

 

 

Mittwoch, 28. August 2002 

Ein Liebesgedicht von Erich Fried:  

Zuflucht 

Manchmal suche ich Zuflucht
bei dir
vor dir und mir
vor dem Zorn auf dich
vor der Ungeduld
vor der Ermüdung
vor meinem Leben
das Hoffnungen abstreift
wie der Tod

Ich suche Schutz
bei dir
vor der zu ruhigen Ruhe

Ich suche bei dir
eine Schwäche
die soll mir zu Hilfe kommen
gegen die Kraft
die ich nicht haben will

 

 

Donnerstag, 29. August 2002

Ein Liebesgedicht von Berthold Brecht

Morgens und abends zu lesen 

Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Dass er mich braucht

Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen
Dass er mich erschlagen könnte.

 

 

Freitag, 30. August 2002

Ein Liebesgedicht von Hermann Hesse

Einem Unzufriedenen 

Sieh, ich versteh ja dein Fluchen;
Aber die Welt bleibt wie sie war,
Dein Hass verändert sie um kein Haar.
Die Menschen sind eine verdorbene Brut,
Aber du selber – bist du denn gut? 
Ich würde es mit der Liebe versuchen.

 

 

Samstag, 31. August 2002

Ein Liebesgedicht von Hermann Hesse

Bitte 

Wenn du die kleine Hand mir gibst,
Die soviel Ungesagtes sagt,
Hab ich dich jemals dann gefragt,
Ob du mich liebst?

Ich will ja nicht, dass du mich liebst,
Will nur, dass ich dich nahe weiß
Und dass du manchmal stumm und leis
Die Hand mir gibst.