WORTE vom 21.-27.07.2002

 

ausgewählt von Pfarrer Helmut Siebert, Simmern, Evangelische Kirche

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 21. Juli 2002

Kampfhähne

Ein König bittet einen Gelehrten, ihm einen Kampfhahn zu dressieren. Nach zehn Tagen fragt der König, ob der Vogel bereit sei. "Nein", antwortet der Gelehrte, "er lässt sich noch ärgern." Nach weiteren zehn Tagen fragt der König wieder. "Nein," antwortet der Gelehrte, "manchmal ist er noch ungeduldig." Als aber weitere zehn Tage vergingen und der König wieder fragt, antwortet der Gelehrte: "Jetzt taugt er als Kampfhahn, denn andere Hähne mögen ihn provozieren oder ärgern – er wird sie nicht beachten. Wer ihn ansieht, glaubt er sei aus Holz. Seine innere Stärke ist vollkommen. Andere Hähne werden nicht wagen, ihn anzugreifen. Sie werden davonlaufen."

von Tschuang-Tse

 

 

Montag, 22. Juli 2002

Gott

Ein atheistischer Astronaut und ein christlicher Gehirnchirurg diskutieren über Religion. Der atheistische Astronaut sagt: "Ich war schon oft und lange draußen im Weltraum unterwegs, aber ich habe da weder Gott noch Engel gesehen."
Darauf antwortet der Gehirnchirurg: "Ich habe schon viele kluge Menschen am Kopf operiert; aber in keinem Schädel habe ich auch nur einen einzigen Gedanken entdecken können."

(aus einem Schulbuch)

 

 

Dienstag, 23. Juli 2002

Sieger

Die Menschheit hat die Kunst der Selbstverteidigung noch nicht gelernt. Denn alle Gewalt bekommt ihre Nahrung aus der Gegengewalt. Jeder Angreifer rechnet doch mit der Gegenwehr des Angegriffenen. Wenn der Angegriffene sich jedoch nicht verteidigt, aber auch nicht flieht, ist der Angreifer überrascht und verunsichert und so gut wie besiegt. Aber, so wird gefragt, kann man das denn Selbstverteidigung nennen, wenn einen solche Gewaltlosigkeit vielleicht das Leben kostet? Jesus verliert sein Leben am Kreuz, und seine Henker haben gesiegt. Haben sie wirklich gesiegt? Nein. Jesus war der Sieger, wie die Weltgeschichte reichlich beweist.

(nach Mahatma Gandhi)

 

 

Mittwoch, 24. Juli 2002

Angst

Ich denke vor allem, wir sollten nicht so viel Angst haben. Denn wer Angst hat, will stärker werden, um sich zu schützen. Und diese Stärke macht wiederum anderen Angst. Und die wollen dann noch stärker sein, um sich auch zu schützen. Nur wer keine Angst hat, kann den Krieg verhindern. Jeder, der guten Mutes ist, tut damit das seinige zum Frieden.

(nach Karl Barth)

 

 

Donnerstag, 25. Juli 2002

Hölle

Ein Krieger besucht einen Priester und fragt: "Gibt es wirklich eine Hölle?" "Wer bist du?" fragt der Priester. "Ich bin Krieger der Elitetruppe des Herrschers", heißt die stolze Antwort. "Das glaube ich nicht", antwortet der Priester, "dafür siehst du viel zu jämmerlich aus. So einer kommt nicht in die Elitetruppe des Herrschers." Wütend greift der Krieger zur Waffe, aber der Priester sagt ganz ruhig: "Na los! Wirst du es schaffen, mich zu töten?" Der Krieger zögert nicht und stürzt auf den Priester zu. Der lächelt nur und sagt: "Jetzt hast du die Hölle kennen gelernt." Da zuckt der Krieger zurück und verneigt sich vor dem Priester.

(von einem Zen-Meister)

 

 

Freitag, 26. Juli 2002

Missverständnis

Zwei Menschen kommen zusammen, um gemeinsam zu leben. Als der Teufel das sieht, will er sie trennen. Und er zeigt sich dem einen Menschen als weiße Taube, dem anderen aber zeigt er sich zugleich als schwarze Krähe. Da sagt der eine Mensch: "Siehst du die Taube da?" Der andere Mensch sagt: "Aber das ist doch eine Krähe." Und sie beginnen zu streiten; und als einer dem anderen immer wieder widerspricht, beginnen sie zu streiten und zu kämpfen, bis sie Todfeinde sind. Und der Teufel freut sich, aber er freute sich zu früh. Denn nach einer Zeit kommen die Menschen zu sich und zueinander. Und sie bitten einander um Entschuldigung und geben einander zu, dass sie einen Vogel gesehen hätten.

(von einem Mönchsvater)

 

 

Samstag, 27. Juli 2002

Mafia

Ein italienisches Huhn beschließt, Mitglied in der Mafia zu werden. Es geht zu einem Minister, von dem es heißt, er sei ein Mafia-Anführer, um sich anzumelden. Aber der Minister sagt, es gäbe überhaupt keine Mafia. Da geht das Huhn zu einem Mafia-Richter, aber der sagt auch, die Mafia existiere nicht. Schließlich geht es zu einem Mafia-Bürgermeister – wieder ohne Erfolg. So kehrt das Huhn in seinen Stall zurück. Und auf die Fragen seiner Mithühner sagt es, es gäbe keine Mafia. Da denken alle, das Huhn sei Mitglied geworden, und fürchten sich.

(nach Luigi Malerba)