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WORTE
vom 21.-27.04.2002
ausgewählt von Ambros Tremel,
Katholische Kirche
Sonntag, 21. April 2002
Fasten
Von einer Nachbarin nach dem Grund seines Fastens gefragt, sagte Herr P.:
"Ein alter Arbeitskollege von mir musste aus seiner großen Wohnung
umziehen in eine kleine; er sortierte vieles aus, was nicht unterzubringen
war, und beschränkte sich auf das Schönste und Nützlichste.
Kurze Zeit später war es ihm möglich, zurückzuziehen. Niemals mehr habe
ich eine geschmackvollere Einrichtung gesehen. Seitdem halte ich öfter
Umzug."
Sigfried Macht
Montag, 22. April 2002
Wie Kathi sich Gott vorstellt
"Gott ist ganz anders als wir", sagte der Lehrer zu den
Kindern. "Er ist ein Geheimnis. Wir Menschen können ihn uns nicht
vorstellen."
"Ich will ihn mir aber vorstellen!" ruft Kathi.
Der Lehrer lacht. "Du kannst es ja versuchen, Kathi. Nur darfst du
ihm nicht vorschreiben, dass er so sein muss, wie du ihn dir
vorstellst."
"Eh nicht", sagt Kathi. Und Kathi denkt nach und denkt sich
Bilder aus:
"Hätte Gott Füße wie wir, so würde er barfuss gehen, damit er den
Sand zwischen den Zehen spürt, das kühle Moos auf den Steinen im Bach,
den harten Beton. Er würde alles spüren und spüren wollen."
Lene Mayer-Skumanz
Dienstag, 23. April 2002
Jüdisches Märchen
Ein Schneider feierte auf ganz besondere Weise das jüdische
Versöhnungsfest Jom Kippur. Er holte ein Notizbuch hervor, in dem alle
Sünden, die er begangen hatte, verzeichnet waren, und sagte:
"Allmächtiger Gott, jetzt müssen wir alle unsere Sünden
abrechnen." Sogleich begann er, alle Sünden, die er im Laufe des
Jahres begangen hatte aufzuzählen. Als er damit fertig war, holte er ein
größeres und dickeres Notizbuch aus dem Schrank und sagte:
"Allmächtiger Gott, ich habe alle meine Sünden aufgezählt, und
jetzt werde ich deine Sünden aufzählen." Und er begann allen Kummer
und alle Sorgen, alle Krankheiten und alle Geldverluste aufzurechnen, die
ihn im Laufe des Jahres befallen hatten. Als er mit der Abrechnung fertig
war, sagte er: "Allmächtiger Gott, wenn man eine ehrliche Rechnung
aufstellt, schuldest du mir mehr als ich dir. Aber ich will mit dir nicht
kleinlich umgehen. Es ist Jom Kippur, verzeihen wir einander unsere
Sünden."
Mittwoch, 24. April 2002
Erzählung der Chassidim
Einem Armen, der an Rabbi Schmelkes Tür kam, als kein Geld im Hause
war, gab er einen Ring. Einen Augenblick darauf erfuhr es seine Frau und
überstürzte ihn mit heftigen Vorwürfen, dass er ein so kostbares
Schmuckstück, das einen so großen und edlen Stein trug, einem
unbekannten Bettler hingeworfen habe. Rabbi Schmelke hieß den Armen
zurückrufen und sagte zu ihm: "Ich habe soeben erfahren, dass der
Ring, den ich dir gab, einen hohen Wert hat; achte darauf, ihn nicht allzu
billig zu verkaufen."
Martin Buber
Donnerstag, 25. April 2002
Grabinschrift
Hier ruht der Leib Benjamin Franklins, eines Druckers, gleich dem
Deckel eines alten Buches, aus welchem der Inhalt herausgenommen und das
seiner vergoldeten Inschrift beraubt ist.
Eine Nahrung für die Würmer.
Doch das Werk selbst wird nicht verloren sein, sondern, wie er glaubt,
eines Tages neu erscheinen in einer schöneren Ausgabe, durchgesehen und
verbessert vom Verfasser
von Benjamin Franklin
Freitag, 26. April 2002
Rabbinische Parabel
Ein Schüler fragte den Meister: "Wie ist es möglich, zwei
unversöhnliche Feinde zur Zusammenarbeit zu bewegen?"
Der Meister antwortete: "Lerne vom einfachen Kochtopf. Sein dünner
Boden vermag die feindlichen Elemente Feuer und Wasser nicht zu
versöhnen, aber er bewegt sie zur friedlichen Zusammenarbeit. Und dabei
mischt er sich nicht ein in die widersprüchlichen Angelegenheiten der
beiden Gegner: Er lässt das Wasser Wasser sein, und auch das Feuer brennt
weiter."
Samstag, 27. April 2002
Böse Zungen
Böse Zungen sind wie scharfe Klingen, die zwar nicht den Bart, aber
die Ehre abschneiden. Doch wie der Bart nach dem Rasieren wieder zu
wachsen beginnt, so wachsen auch die verletzte Ehre und der angegriffene
Ruf nach. Deshalb ist es manchmal klug, zu schweigen und Geduld zu haben.
Mit der Zeit heilen viele Wunden von allein.
Papst Johannes Paul I.
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