WORTE vom 31.03.-06.04.2002

 

ausgewählt von Roland Spur, Evangelische Kirche

 

 

 

 

 

Ostersonntag, 31. März 2002

Einfall zu Ostern

Dass ER durch Mauern drang und verriegelte Tür – , unglaublich, legendär?
War wohl ein Armenhaus, lehmig, porös für Wunschträume. Durch unseren Beton, sachlich und kühl, wär ER schon nicht gekommen.
Kam aber, unvermutet wie einst durch mehr als Granit und Stein, durch mein Verschlossensein. Kam aber, mit diesem Friedensgruß.

Manfred Haustein: Auferstandener. Aus: Rufe. Religiöse Lyrik der Gegenwart 2, Seite 27

 

 

Ostermontag, 1. April 2002

Biblischer Bezug: Jesaja 25, 6 – 9

Der Prophet Jesaja ist der Meister der Sehnsucht nach dem ganzen Leben, der Meister der Träume vom guten Ausgang des Lebens, und so singt er: »Einmal wird es sein, dass keiner mehr hungert und keiner sich mehr vom Fett des anderen nährt. Die Völker werden auf dem Berge Zion sein, nicht mehr in der dunklen Geducktheit der Täler. Alle werden essen, und alle werden trinken, ein üppiges Mahl und starken Wein. Die Decke der Trauer und Blindheit, die über allen liegt, wird weggerissen. Die Völker werden jubeln und klar sehen. Das Geschäft des Todes wird ruiniert sein. Die Schmach wird aufhören, und die Tränen werden abgewischt sein. Der Herr hat es versprochen«, sagt der Prophet. Ewiges Leben ist also nicht einfach gestreckte Zeit. Es ist die andere Zeit, in der die Weinenden lachen, in der die stumm Gemachten ihr Lied singen, und in der das Recht für alle aufgerichtet ist.

Fulbert Steffensky "Das Haus, das die Träume verwaltet", Echter Verlag, Würzburg 1999, aus den Seiten 63 – 70.

 

 

Dienstag, 2. April 2002

Hoffnung auf die kommende bessere Welt

Ich habe bestimmt sehr vieles gründlich falsch gemacht, aber auf eines bin ich beinahe stolz, dass ich meine Hoffnung nicht verliere, immer wieder aufstehe und mir sage: Die Menschen werden es schaffen, sie werden lernen, ihr Leben zu gestalten. Wer mir diese Hoffnung gibt? Der Schukschin, mein Vater, der Peter, Fred, deine Jule, Lenin, Jesus, Christa Wolf, Tilman Fürniß, Ingmar Bergmann, David Oistrach, unser Töpfer, die Evi mit ihrem Harry, Laodse, Romain Rolland, Chagall, Heinrich Böll, Albert Schweitzer, die Schwester Doris von unserer Station, unsere Freunde Draer in Paris, Michelangelo, Aitmatow ... sieben Seiten könnte ich mit Namen füllen!«

Maxie Wander, Leben wär’ eine prima Alternative. Tagebücher und Briefe, herausgegeben von Fred Wander. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1994, Seite 64/65 (dtv 11877)

 

 

Mittwoch, 3. April 2002

kein Kalauer

Ich war im Kino:
Blutüberströmt fertiggemacht fiel einer um als letzter von allen – das war ein Western!
Ich war in der Kirche:
Blutüberströmt fertiggemacht stand einer auf als erster von allen – das war ein Ostern!

Lothar Zenetti

 

 

Donnerstag, 4. April 2002

Wetten dass...?

Einmal brachte eine stolze Mutter ihren begabten kleinen Sohn zum Rabbiner. Der Rabbiner beugte sich zu dem Jungen herab: »Ich gebe Dir einen Gulden, « sagte er freundlich, »wenn Du mir sagst, wo Gott wohnt.«
Der Junge, kein bisschen schüchtern, antwortete: »Und ich gebe Dir zwei Gulden, wenn Du mir sagen kannst, wo er nicht wohnt.«

Martin Buber, Erzählungen der Chassidim, Zürich 1949

 

 

Freitag, 5. April 2002

Telefonanruf

Lieber Apostel Paulus

Wenn ich mal so sagen darf nicht wahr, du hast doch ich meine, was Jesus angeht genauer seine Auferstehung das nicht so wörtlich gemeint eins Korinther fünfzehn du weißt schon nur in dem Sinne wohl, dass er sozusagen geistig sinnbildlich gemeint in uns allen weiterlebt, dass wir neuen Mut fassen, den Blick erheben wie die Natur erneut aufblüht, so ähnlich eben es geht schon, die Sache geht schon weiter, man muss sie vorantreiben, die gute Sache an die wir doch alle irgendwie glauben, den Fortschritt, mein’ ich Mitmenschlichkeit und so Friede, nicht wahr Das wolltest Du doch sagen –

Nein?!

Lothar Zenetti, Texte der Zuversicht – Pfeiffer Verlag, 1972

 

 

Samstag, 6. April 2002

revolutionärer Glaube

Wenn die Eltern wüssten, dass Kommunion und Kommune das gleiche Wort und eigentlich die selbe Sache sind und dass der liebe Heiland die Revolution vorbereitet, indem er das Brot bricht den Genossen am Tisch. Wie, wenn sie dies wüssten, würden die Eltern morgen den Weißen Sonntag feiern?

Lothar Zenetti, Texte der Zuversicht, Pfeiffer-Verlag, 1972, Seite 75