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WORTE
vom 03.-09.02.2002
ausgewählt von Annette
Bassler, Evangelische Kirche
Sonntag, 3. Februar 2002
Es gibt Augenblicke zwischen Nacht und Tag, da weißt du Dinge, die
dir sonst verborgen sind.
Da sieht dein drittes Auge, sieht dein Herz: Das Leben ist ein Übergang,
der Takt der Zeit ist schnell, und deine Kräfte sind bemessen.
Es gibt Augenblicke zwischen Nacht und Tag, da singt die Seele wie ein
kleiner Vogel vom Leben ohne Grenze, von Zeiten ohne Ende und von der
Hand, in die du fällst.
Helwig Wegner
Montag, 4. Februar 2002
Am Anfang war nichts außer Gott. Eines Tages bekam er eine Gemüsekiste
voller Erbsen. Er fragte sich, woher sie kommen könnte, denn er
kannte niemanden außer sich. Er traute der Sache nicht ganz und ließ
die Kiste einfach stehen, oder eher schweben.
Nach sieben Tagen zerplatzten die Hülsen, und die Erbsenkugeln
schossen mit großer Gewalt ins Nichts hinaus. Oft blieben dieselben
Erbsen, die in einer Hülse gewesen waren, zusammen und umkreisten
sich gegenseitig. Sie begannen zu wachsen und zu leuchten, und so
wurde aus dem Nichts das Weltall.
Gott wunderte sich sehr darüber.
Auf einer der Erbsen entwickelten sich später alle möglichen
Lebewesen, darunter auch Menschen, die ihn kannten. Sie schrieben ihm
die Erschaffung des Weltalls zu und verehrten ihn dafür. Gott wehrte
sich nicht dagegen, aber grübelt bis heute darüber nach, wer zum
Teufel ihm die Kiste mit den Erbsen geschickt haben könnte.
Die Schöpfung von Franz Hohler
Dienstag, 5. Februar 2002
Jeder Tag beginnt aufs Neue
Mit der Zerstörung der eigenen Selbstgefälligkeit.
Immer wieder heißt es, der eigenen Errungenschaft, der eigenen
Handfertigkeit und lieben Gewohnheiten zu misstrauen.
Antony Tapies
Mittwoch, 6. Februar 2002
Stell dem Mensch auf seinem Weg einen Monitor hin mit einem tollen
Krimi, setz ihm einen Kopfhörer auf mit der Musik. Die er liebt. Wirb
über 20 Kanäle für Eigenheim, freie Fahrt, jugendliche Spannkraft
und alte Weine und er wird mit der Zeit seine Fragen vergessen. Wenn
du ihn fragst, weiß er vielleicht nicht einmal mehr, woher er kam und
was er unterwegs eigentlich suchte. Aber er wird sich gut fühlen.
Wird dich zum Querulanten erklären mit deiner ewigen Suche nach Sinn
und Gott. Und er wird zu den Händlern gehen, und die Händler werden
ihm alles verkaufen. Er wird beginnen, die Nacht zu fürchten und die
Stille draußen vor dem Tor. Er wird Einsamkeit nicht mehr ertragen.
Tränen und fremde Gerüche. Er wird die Weite fürchten, Friedhöfe
meiden, über Brücken hetzen. Und er wird in Ruinen wohnen und
behaupten. Es seien Paläste. Er wird atmen und essen und arbeiten und
kaufen und wird behaupten. Er lebe. Und er hat nicht gemerkt, dass er
unterwegs schon hundert Mal überfahren wurde.
Gerhard Engelsberger
Donnerstag, 7. Februar 2002
Mein Atem geht – was will er sagen?
Vielleicht: Schau! Hör! Riech! Schmeck! Greif! Lebe!
Vielleicht: Gott atmet in dir mehr als du selbst.
Und auch: In allen Menschen, Tieren, Pflanzen atmet er wie in dir.
Und so:
Freude den Sinnen!
Lust den Geschöpfen!
Friede den Seelen!
Kurt Marti
Freitag, 8. Februar 2002
Jede Zeit hat ihre Sünde, Gott, unsere Sünde ist die Resignation.
Wir haben die Hoffnung nur noch auf den Lippen, unsere Herzen sind
leer.
Jede Zeit hat ihre Sünde, Gott, unsere ist die Kurzatmigkeit. Wir
wollen nicht begreifen, dass der Kampf für unsere Kinder und Enkel,
mit unseren Kindern und Enkeln weitergeht. Uns ist die Luft
ausgegangen, wir können nicht mehr ruhig atmen.
Jede Zeit hat ihre Sünde, Gott. Unsere Sünde ist die Angst. Wir fügen
uns dem Druck, der von oben kommt, Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein
und Gottvertrauen sind uns abhanden gekommen.
Am Kreuz Christi wurde aus deiner Mutlosigkeit Glauben, aus deiner
Einsamkeit Liebe, aus deiner Resignation Hoffnung.
Luise Schottroff
Samstag, 9. Februar 2002
Wie ich mir meinen Engel wünsche –
Den langen Atem der Geduld, den braucht er ganz bestimmt. Dass Blick
und Weg zum Himmel ihm nie verstellt sind – das wünsch ich ihm.
Dass er vor mir die Wege kennt heraus aus jedem Zwang und sie mir noch
mal zeigt wenn ich ihn schlecht versteh – das wünsch ich mir.
Vor allem aber ist mein Wunsch, dass er auch weiter lacht über mich und
wie ich nur kleine Schritte mach – aus Angst vorm Flug.
Helwig Wegner
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