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WORTE
vom 12.-18.08.2001
ausgewählt von Nina
Endres, Katholische Kirche
Sonntag, 12. August
2001
Der Meister und ein Schüler begegneten unterwegs einem Blinden,
der am Straßenrand saß und bettelte. Sagte der Meister: "Gib
dem Mann ein Almosen!" Der Schüler warf eine Münze m den Hut
des Bettlers. Sagte der Meister: "Du hättest deinen Hut ziehen
sollen als Zeichen des Respekts." "Warum?" wollte der
Schüler wissen. "Man sollte es immer tun, wenn man ein Almosen
gibt." "Aber der Mann war doch blind." "Man kann
es nie wissen", erwiderte der Meister, "vielleicht war er
ein Schwindler."
"Man kann es nie wissen" von Anthony DeMello aus: Eine
Minute Unsinn, Freiburg im Breisgau, 1996
Montag, 13. August
2001
Der Vater einer Schülerin stürmte aufgebracht in den
Vortragssaal, in dem der Meister gerade sprach. Ohne Rücksicht auf
die Anwesenden schrie er seine Tochter an: "Du hast dein
Universitätsstudium abgebrochen, um dich zu Füßen dieses Narren
zu setzen! Was hat er dich denn gelehrt?"
Sie stand auf, nahm ihren Vater ruhig bei der Hand und ging mit ihm
aus dem Saal. Dann sagte sie: "Bei ihm zu sein, hat mich
gelehrt, was an keiner Universität gelehrt wird: dich nicht zu fürchten
und mich über dein (schändliches) Benehmen nicht aufzuregen."
"Die Lektion" von Anthony DeMello aus: Eine Minute
Unsinn, Freiburg im Breisgau, 1996
Dienstag, 14. August
2001
"Haben Sie ein schönes Baby!" "Das ist noch
gar nichts. Sie sollten Fotos von ihm sehen!"
"Abklatsch" von Anthony DeMello aus: Geschichten, die gut
tun, Freiburg im Breisgau, 2001
Mittwoch, 15. August 2001
"Ein guter Weg, Ihre eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten zu
erkennen", sagte der Meister, "besteht darin, zu beobachten,
was Sie bei anderen stört."
Er erzählte einmal, wie seine Frau eine Dose mit Schokoladenbonbons
in den Küchenschrank gestellt hatte, um schon nach einer Stunde, als
sie die Dose wieder in die Hand nahm, festzustellen, dass sie bis auf
den Boden leer war. Die Bonbons waren sorgfältig Stück für Stück
in eine Papiertüte gepackt, die bei den persönlichen Sachen der
neuen Köchin lag. Die gutmütige Frau wollte deswegen kein Aufheben
machen. Sie füllte die Bonbons weder in die Dose um und stellte sie
an einen Platz außer Reichweite.
Nach dem Essen teilte die Köchin dem Hausherrn mit, dass sie ihre
Stelle noch am selben Abend verlassen werde. "Warum denn? Was ist
los?" fragte der Meister. "Ich möchte nicht für Leute
arbeiten, die zurück stehlen", antwortete sie erbost.
"Zurückgestohlen" von Anthony, aus: Eine Minute Unsinn,
Freiburg im Breisgau, 1996
Donnerstag, 16. August
2001
Jeden Abend, wenn der Guru sich zur Andacht niederließ, pflegte
die Ashram-Katze herum zu streunen und die Beter abzulenken. Also ließ
er die Katze während des Abendgottesdienstes anbinden. Lange nach dem
Tod des Gurus wurde die Katze stets während des Abendgottesdienstes
angebunden. Und als die Katze schließlich starb, wurde eine andere
Katze in den Ashram gebracht, so dass man sie ordnungsgemäß während
des Abendgottesdienstes anbinden konnte. Jahrhunderte später
schrieben die Schüler des Gurus gelehrte Abhandlungen darüber,
welche wichtige Rolle eine Katze in jedem ordentlich gestalteten
Gottesdienst spielte.
"Die Katze des Gurus"" von Anthony DeMello, aus:
Geschichten, die gut tun, Freiburg im Sreisgau, 2001
Freitag, 17. August
2001
Als der Meister einmal über die problematischen Bindungen zwischen
Eltern und Kinder befragt wurde, erzählte er, wie er einmal in einem
Einkaufsmarkt einer Frau begegnete, die einen Kinderwagen schob. In
dem Kinderwagen saßen zwei kleine Jungen.
"Was für reizende Kinder sie haben", sagte der Meister.
"Wie alt sind sie denn?" "Der Arzt", sagte die
Frau, "ist drei Jahre und der Rechtsanwalt zwei."
Reizende Kinder von Anthony DeMello aus: Eine Minute Unsinn,
Freiburg im Breisgau, 1996
Samstag, 18. August
2001
"Der Hauptgrund, warum viele Leute unglücklich sind, ist
darin zu suchen, dass sie eine verkehrte Befriedigung aus ihren Leiden
gewinnen", sagte der Meister.
Dann erzählte er, wie er einmal auf einer Bahnfahrt im oberen Bett
eines Liegewagens die Nacht verbrachte. Es war ihm unmöglich
einzuschlafen, da von unten her ständig ein Stöhnen zu hören war:
"Ach ich bin durstig, ach, wie bin ich durstig..!" Das Stöhnen
wollte kein Ende nehmen. Da kletterte der Meister schließlich die
Leiter hinunter, ging durch den ganzen Zug zum Speisewagen, kaufte
zwei Becher Bier, ging den langen Weg zu seinem Abteil zurück und
reichte die beiden Becher dem geplagten Mitreisenden.
"Hier ist etwas zu trinken!" "Wunderbar, Gott sei
Dank!"
Der Meister stieg die Leiter hoch und streckte sich wieder aus. Kaum
hatte er die Augen geschlossen, hörte er es von unten her stöhnen:
"Ach Gott, war ich durstig, oh wie war ich doch durstig!"
"Durstig" von Anthony DeMello aus: Eine Minute Unsinn,
Freiburg im Bretsgau, 1996
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