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WORTE
vom 15.-21.07.2001
ausgewählt von Ambros
Tremel, Katholische Kirche
Sonntag, 15. Juli 2001
"Lichtzeichen"
Wenn Du die Kraft hast, einen Berg, der Dich um mehr als tausend
Meter überragt, trotz Müdigkeit und Kälte zu bezwingen, sag es
weiter.
Wenn Du die Kraft hast, Deine Meinung, die für dich wertvoll und
bedeutsam ist, trotz Schwierigkeit und Spott zu behaupten, sag es
weiter.
Wenn Du die Liebe hast, dem Menschen, der Dich hasst und der Dich
ablehnt, trotz Hinterlist und Feindschaft zu verzeihen, sag es weiter.
Wenn Du die Hoffnung hast, dass Gott, der sich durch nichts beweisen lässt
und oft ganz unerreichbar scheint, trotz aller Gegenargumente lebt und
zu Dir hält, sag es weiter!
Jörg Kuhn, Lichtzeichen
Montag, 16. Juli 2001
"Reich oder arm?"
Zwei Juden, der eine arm, der andere reich, saßen im Vorzimmer
eines berühmten Rabbi. Beide wollten ihn um Rat angehen. Der Reiche
wurde zuerst hineingeführt. Die Audienz dauerte lange. Über eine
Stunde. Dem Armen gab man, als er endlich eingelassen wurde, nur ein
paar Minuten. Deshalb protestierte er heftig: "Rabbi, ist das
gerecht? Den Reichen behandelst du vornehmer als den Armen! Wo ist da
deine vielgepriesene Gerechtigkeit?" - "Du Dummkopf",
antwortete der Rabbi, "als du hier eintrafst, wusste ich auf den
ersten Blick, dass du arm bist. Bei jenem aber musste ich erst eine
ganze Stunde zuhören, bis ich herausfand, dass er noch viel ärmer
ist als du."
Balling "Reich oder arm"
Dienstag, 17. Juli 2001
"Sich nicht so wichtig nehmen"
Einmal lag ein Vogel auf seinem Rücken und streckte beide Beine
zum Himmel. Da kam ein anderer Vogel geflogen, setzte sich daneben und
fragte: Was machst Du da? Bist Du tot?"
"Nein, ich bin nicht tot", sagte der andere.
"Ja warum liegst du denn da und hältst deine Beine so
starr?"
"Siehst Du denn nicht was ich mache? Ich trage den Himmel mit
meinen Beinen. Wenn ich die Beine anziehe und den Himmel loslasse, fällt
er herunter und bricht zusammen."
Kaum hatte er das gesagt, löste sich ein Blatt vom Baum und fiel
leise raschelnd auf die Erde. Darüber erschrak der Vogel so sehr,
dass er sich schleunigst umdrehte und davonflog. Und der Himmel fiel
nicht herunter.
Willi Hoffsümmer "Sich nicht so wichtig nehmen"
Mittwoch, 18. Juli 2001
"Irgendwann muss doch einer einmal anfangen"
Eines Tages ging ich mit einem guten Bekannten spazieren. Wir setzten
uns auf eine Bank, um etwas auszuruhen. Da sah mein Freund, wie auf der
Bank gegenüber eine junge Frau gedankenlos eine Keksverpackung auf den
Parkweg warf. Da stand er mit einem Ruck auf, ging hin, lüftete den Hut
und sagte: "Entschuldigen Sie bitte." Dann bückte er sich,
nahm das Papier und trug es zum nahen Papierkorb. Die Frau wurde
sichtlich rot, verpackte schnell ihren Keks in der Handtasche, stand auf
und ging ihres Weges. Als ich meinen Freund daraufhin etwas irritiert
ansah, sagte er nur: "Irgendwann muss doch einer einmal
anfangen."
Joachim Wanke "Irgendwann muss doch einer einmal anfangen"
Donnerstag, 19. Juli 2001
Märchen aus Nordafrika
Einmal herrschte eine große Trockenheit in einem Gebiet südlich
der Sahara. Das Steppengras kümmerte dahin, die Tiere fanden kein
Wasser mehr, die Wüste war ständig im Vormarsch. Selbst dicke Bäume
und an Dürre gewohnte Sträucher sahen ihrem Ende entgegen. Brunnen
und Flüsse waren längst versiegt.
Nur eine einzige Blume überlebte die Trockenheit. Sie wuchs nahe
einer winzigen Quelle. Doch auch die Quelle war dem Verzweifeln nahe:
"Wozu mühe ich mich wegen dieser einzigen Blume, wo doch ringsum
schon alles dürr ist?"
Da beugte sich ein alter Baum über die kleine Quelle und sagte, ehe
er selbst starb: "Liebe, kleine Quelle, niemand erwartet von dir,
dass du die ganze Wüste zum Grünen bringst. Deine Aufgabe ist es,
einer einzigen Blume Leben zu spenden, mehr nicht."
Märchen aus Nordafrika
Freitag, 20. Juli 2001
"Hören"
Als ein Mann, dessen Ehe nicht gut ging, seinen Rat suchte, sagte
der Meister: "Du musst lernen, deiner Frau zuzuhören."
Der Mann nahm sich diesen Rat zu Herzen und kam nach einem Monat zurück
und sagte, er habe gelernt, auf jedes Wort, das seine Frau sprach, zu
hören.
Sagte der Meister mit einem Lächeln: "Nun geh nach Hause und höre
auf jedes Wort, das sie nicht sagt."
Anthony de Mello "Hören"
Samstag, 21. Juli 2001
"Familie"
Die Familie war um den Esstisch versammelt. Der älteste Sohn kündigte
an, er werde das Mädchen von gegenüber heiraten.
"Aber ihre Familie hat ihr nicht einen Pfennig
hinterlassen," sagte der Vater missbilligend. "Und sie
selbst hat nicht einen Pfennig gespart", ergänzte die Mutter.
"Sie versteht nichts von Fußball," sagte Junior.
"Ich habe noch nie ein Mädchen mit so komischer Frisur
gesehen," sagte die Schwester.
"Sie tut nichts als Romane lesen", sagte der Onkel.
"Und sie zieht sich geschmacklos an", sagte die Tante.
"Alles richtig", sagte der Sohn, "aber sie hat
verglichen mit uns einen großen Vorteil."
"Und der wäre?" wollten alle wissen.
"Sie hat keine Familie"
Anthony de Mello "Familie"
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