WORTE vom 01.-07.07.2001

 

ausgewählt von Stephan Wahl, Katholische Kirche

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 01. Juli 2001

Die Christen leben wie Gänse auf einem Hof. An jedem siebten Tag wird eine Parade abgehalten, und der beredsamste Gänserich steht auf dem Zaun und schnattert über das Wunder der Gänse. Erzählt von den Tagen der Vorfahren, die einst zu fliegen wagten, und lobt die Gnade und Barmherzigkeit des Schöpfers, der den Gänsen Flügel und den Instinkt zum Fliegen gab.
Die Gänse sind tief gerührt, senken in Ergriffenheit die Köpfe und loben die Predigt und den beredsamen Gänserich. Aber das ist auch alles. Eines tun sie nicht: sie fliegen nicht. Sie gehen zu ihrem Mittagsmahl. Sie fliegen nicht, denn das Korn ist gut und der Hof ist sicher.

Ein Gedanke von Sören Kierkegaard

 

 

Montag, 02. Juli 2001

Man sollte aus einer Erfahrung nur jene Weisheit schöpfen, die darin enthalten ist. sonst werden wir wie die Katze, die sich auf einen heißen Deckel setzte.
Sie setzt sich auf keinen Deckel mehr. Auch nicht auf einen kalten Deckel.

Ein Gedanke von Mark Twain:

 

 

Dienstag, 03. Juli 2001

Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann lasse ich so schnell nicht locker und meine Ideen haben meine Mitarbeiter manches Mal in Verlegenheit gebracht. Zu Beginn meiner Amtszeit als Ministerin sagte ich meist was ich wollte und auf welchem Weg ich es wollte. Und die Experten antworteten: so geht es nicht, das passt nicht ins System, gesetzliche Bestimmungen stehen dem entgegen.
Jetzt stelle ich es schlauer an. Ich nenne mein Ziel und bitte meine Fachleute, Wege dahin vorzuschlagen. Das setzt Kreativität frei, wir haben schon schier Unmögliches geschafft.

Eine Erfahrung von Regine Hildebrand

 

 

Mittwoch, 04. Juli 2001

Niemand hat heute eine Vision. Niemand sagt, was werden soll und wo es langgeht. Das geistige Leben ist durch Ratlosigkeit und beklemmende Leere charakterisiert. Es muss doch möglich sein, die marktwirtschaftlichen Strukturen so zu ergänzen, dass die Menschen veranlasst werden, sich menschlich zu verhalten und nicht wie Raubtiere nach Beute zu gieren.

Eine Beobachtung von Marion Gräfin Dönhoff

 

Donnerstag, 05. Juli 2001

Ein Fuchs aus Frankreich, wegen mir auch von hier, sah wunderschöne Trauben oben im Spalier des Weinstocks rot und glänzend hängen. Er hätte gern davon genascht. Aber sie hingen viel zu hoch für ihn. Da er nicht dran kam, sagte er: "Sie werden sauer sein."

Aus einer Fabel von Jean de La Fontaine:

 

 

Freitag, 06. Juli 2001

Man muss dort die Angel werfen, wo die Fische sind, und nicht erwarten, dass sie zu einem kommen. Manche Leute ziehen es vor, es sich am Ufer bequem zu machen, satt sich auf die glitschigen Felsen zu wagen oder in der Mitte der Strömung zu stehen.

Ein Gedanke von Bror Jonzon:

 

 

Samstag, 07. Juli 2001

Wer fragt: " Was hat man zu tun?" für den gibt es keine Antwort.
"Man" hat nichts zu tun. "Man" kann sich nicht helfen, mit "Man" ist nichts mehr anzufangen. Mit "Man" geht es zu Ende.
Wer aber die Frage stellt: "Was habe ich zu tun?" den nehmen die Menschen bei der Hand, die er nicht kannte und die ihm alsbald vertraut werden und antworten: "Du sollst dich nicht vorenthalten."

Ein Gedanke von Martin Buber