WORTE vom 10.-16.06.2001

 

ausgewählt von Herbert Vinçon, Evangelische Kirche

 

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 10. Juni 2001

Dreieinigkeit

Nicht dunkle, dumpfe Macht ist er, er ist hell, offen, ganz offen.
Licht ist er, er scheint durch alles und in alles, da ist alles durchsichtig.
Er hat vielleicht auch gar kein Haus, die Sonne ist nur sein Glanz- und Prachtbild.
Er ist vielleicht, obwohl Mannesart in all seinem Tun, doch eigentlich auch kein Mann.
Er ist einer und auch drei.
Drei Dinge ist er: das Sein, der Tod und der Geist.
Er zeugt alles, wandelt alles und steigt auf aus allem.
Darum ist er ein Feuergeist, denn er brütet aus, verzehrt und leuchtet.
Die Menschen suchen seinen Namen und verwirren sich.

Friedrich Theodor Vischer (Auch einer. Eine Reisebekanntschaft S. 182f)

 

 

Montag, 11. Juni 2001

Über das Verliebt sein

Mein arabischer Name Rabeya ist ja schon Programm – das heißt übersetzt "Frühling".
Es fällt mir im Frühling natürlich schwerer, meine Schülerinnen zu unterrichten. Also sammle ich ihre Handys vor dem Unterricht ein, damit die nicht ständig klingeln.
Aber mich fasziniert die Verliebtheit.
Der liebe Gott hat sich was dabei gedacht, dass Menschen das Kribbeln im Bauch spüren.
Verliebtheit ist erst ein Glücksgefühl.
Dann beginnt die Herausforderung: Verliebte müssen Respekt für einander entwickeln, damit mehr draus werden kann.
Wenn aber doch der große Liebeskummer kommt, bin ich gern da, damit sich die Leute bei mir ausweinen können.

von Rabeya Müller, islamische Religionslehrerin in Köln (Chrismon. Das evangelische Magazin 05/2001 S. 18)

 

 

Dienstag, 12. Juni 2001

Spruchband an einem Gebäude in Leipzig:
Ein Bett hält im Durchschnitt wesentlich länger als eine Ehe.
Das ist bekannt.
Dazu folgender Kommentar:
Moses kehrt vom Berg zurück, um den Wartenden die Botschaft Gottes zu überbringen:
"Also, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist: Ich hab ihn runter auf zehn. Die schlechte: Ehebruch ist immer noch dabei!"

 

 

Mittwoch, 13. Juni 2001

Schale und Kern

Viele meinen, dass die Welt mit Gutem voll ist und mit Bösem.
Sie schauen die Welt an wie eine Frucht aus Schale und Kern.
Ob aber der Kern das Gute und die
Schale bös ist oder umgekehrt, darüber besteht anscheinend keine Einigkeit.
Sonst würden nicht alle den Kern preisen und von der Schale sich nähren.
Sonst würden sie die Schale in jedem Fall vom Kern lösen.

Ein Gedicht von Ernst Jandl (Gesammelte Werke 1 Gedichte. Luchterhand Literaturverlag S. 56)

 

 

Donnerstag, 14. Juni 2001

Wandspruch an einem Haus in Leipzig:
Wer für mich ist, hat nichts von mir.
Wer gegen mich ist, der soll mich kennen lernen!
Dazu ein Kommentar aus dem Matthäus-Evangelium:
Jesus sagte: dass ein Reicher einen Finger krumm macht für die Sache Gottes -, darauf kannst du lange warten!
Eher wird sich ein Kamel durch ein Nadelöhr quetschen.

 

 

Freitag, 15. Juni 2001

Einige Tipps für ein langes Leben

  1. Rechtzeitig heiraten
  2. Regelmäßig in die Kirche gehen
  3. Eine kleine Kinderschar bekommen
  4. Nicht viel streiten und ebenso wenig trinken
  5. Vater und Mutter ehren
  6. Nicht überanstrengen, aber doch Geld verdienen
  7. Die ganze Wahrheit sagen und nicht lügen
  8. Das liebe Geld zählen, bevor man es ausgibt
  9. Nicht weinen, mehr lachen
  10. Man soll das Essen verspeisen, nicht fressen

Von Alexander, einem Psychiatriepatienten(Alexanders poetische Texte. Hrg. von Leo Navratil, dtv 1304 S. 104)

 

 

Samstag, 16. Juni 2001

Hoffnungen

Hoffnungen nähren sich angeblich von der Zukunft.
In Wirklichkeit meistens von dem, was hinter einem liegt.
Man erinnert sich wohltuender Situationen und der von ihnen bewirkten wohltuenden Empfindungen und hofft darauf, dass sie sich wiederholen werden.

Werner Bergengruen (Geliebte Siebendinge. Unveröffentlichte Aufzeichnungen S. 125f)