WORTE vom 03.-09.06.2001

 

ausgewählt von Nina Endres, Katholische Kirche

 

 

 

 

Pfingstsonntag, 03. Juni 2001

Möge die Straße uns zusammen führen und der Wind in deinem Rücken sein;
Sanft falle Regen auf deine Felder, und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.
Und bis wir uns wieder sehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.
Führe die Straße, die du gehst, immer nur zu deinem Ziel bergab;
Hab, wenn es kühl wird, warme Gedanken, und den vollen Mond in dunkler Nacht.
Und bis wir uns wieder sehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.
Bis wir uns wieder sehen, hoffe ich, dass Gott dich nicht verlässt;
Er halte dich fest in seinen Händen, doch drücke seine Faust nie zu fest.
Und bis wir uns wieder sehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.

Irischer Reisesegen

 

 

Pfingstmontag, 04. Juni 2001

Mischmasch aus der Glotze
Quillt wie Teig in meinem Hirn
Versprechen vor den Augen
Lügen auf der Stirn
Krieg auf allen Sendern
Und das zu jeder Stund
Auch ein Lächeln kann nichts ändern
Bei eiskalten Zügen um den Mund
Eine Reise in die Berge
Gegen einen Stundenlohn
Lang erhoffte Wünsche
Als Wohnzimmervision
Sehnsucht nach den Wurzeln
Fahndung nach Gewinn
Aus der bunten Dose purzelt
Unser Lebenssinn
Ich mach‘ die Birne aus
Und schalte ein
Und ich bin mittendrin
Im Glücklichsein
Wir heißen Sie bei uns Herzlich Willkommen
Im Reich der Illusion
Mit Garantie finden Sie die vollkommene Halluzination

Denn wenn die Welt Ihnen nicht mehr genügt
Dann wissen wir ganz genau-
Wie man sich vergnügt

Aus: "Herzlich Willkommen" von Jule Neigel

 

 

Dienstag, 05. Juni 2001

Mischmasch aus der Glotze
Quillt wie Teig in meinem Hirn
Versprechen vor den Augen
Lügen auf der Stirn
Unterhaltung bis zum Himmel
Über Satellit
Überdosis Träume
Ergibt Maximum Profit
Psychologen sitzen Pose
Spielen Seelenlotterie
Jüngermassen in Hypnose
Für die Industrie
Ich mach‘ die Birne aus
Und schalte ein
Und ich bin mittendrin
Im Glücklichsein
Wir heißen Sie Herzlich Willkommen
Im Reich der Illusion
Mit Garantie finden Sie die vollkommene
Halluzination
Wir wissen, wenn Ihnen nichts mehr genügt
Wie man Sie betrügt

Aus: "Herzlich Willkommen" von Jule Neigel

 

 

Mittwoch, 06. Juni 2001

Wer wie die Biene wäre, die die Sonne auch durch den Wolkenhimmel fühlt, die den Weg zur Blüte findet und nie die Richtung verliert, dem lägen die Felder in ewigem Glanz, wie kurz er auch lebte, er würde selten weinen.

"Im Regen geschrieben" von Hilde Domin

 

 

Donnerstag, 07. Juni 2001

Ihre Erinnerungen sind da, lebendig und zum Greifen nah, und ihr warmes, pochendes Herz schlägt im Einklang mit ihnen. Rings um sich erblickt sie die Schönheit des Lebens, seine Freuden, sein Leid: in der Frische der Luft, im Klang der Stimmen, in der Farbe der Erde und dem Schimmer des Steins, in der Einfachheit einer Geste, der Alltäglichkeit eines Gesprächs, in der Zärtlichkeit eines Blicks, den Farben, den Tönen, dem Sonnenlicht.

Aus: "Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine" von Madelaine Bourdouxhe

 

 

Freitag, 08. Juni 2001

"Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen. Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin, ich würde viel weniger Ding so ernst nehmen. Ich würde nicht so gesund leben. Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen, Sonnenuntergänge betrachten, mehr bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen.
Ich war einer dieser klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten; freilich hatte ich auch Momente der Freude.
Aber wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben.
Falls Du es noch nicht weißt: aus diesen besteht nämlich das Leben; nur aus Augenblicken; vergiss nicht den jetzigen.
Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn bis in den Spätherbst hinein barfuss gehen.
Und ich würde mehr mit Kindern spielen wenn ich das Leben noch vor mir hätte. Aber sehen Sie... ich bin 85 Jahre alt und weiß, dass ich bald sterben werde."

Aus dem Werk von Jorge Louis Borges

 

 

Samstag, 09. Juni 2001

jemandem sein glück glauben ist schwerer als jemandem die trauer abnehmen
wir schwimmen im see
die bergkette spiegelt sich
plötzlich schnellst du dich vorwärts
ich sehe nur tropfenfäden
du hast dich in sonne wasser und bewegung aufgelöst
vor begeisterung verschlucke ich mich und versuch nachzukommen
über das glück miteinander sprechen ist noch schwerer
weil wir einander kaum trauen können
es kommt mir vor
wie die sache mit den heiligenscheinen
wer weiß wie sie zustande kommen
wieso leute so etwas gesehen haben müssen
welche gnade dazu geführt haben muss
jemanden leuchten zu sehen

"Jemandem sein Glück glauben" von Dorothee Sölle