GEDANKEN der WOCHE 

 

 

von Altfried Rempe, Katholische Kirche

 

 

 

 

Der Gedanke der Woche

 

 

28. Februar 2001

ist alles vorbei!?

Am Aschermittwoch ist alles vorbei ... Alter Schlager - ich glaube, aus dem Kölner Karneval. "Von all deinen küssen darf ich nichts mehr wissen; wie schön es auch sei: das ist alles vorbei."
Ein ziemlich alter Schlager. Hat wahrscheinlich auch damals schon nicht gestimmt. Obwohl: Auch heute noch ist in der Zeit nach Fastnacht Hochkonjunktur für Eheberaterinnen und Scheidungsanwälte. Gerade in Sachen Liebe geht’s also doch besonders durcheinander im Fasching; obwohl die meisten ja auch sonst nicht allzu prüde sind. Und am Aschermittwoch, wenn das lockere Leben aufhört und die Masken fallen - dann wundert sich die eine oder der andere, in welchem Bett sie da morgens aufwachen... Schade aber auch - und sicher nicht besonders witzig.
Nein, ernsthaft: Ich finde Partnerschaft und Liebe einfach zu wichtig; da entwickelt und entscheidet zwischen etwas zwischen zwei Menschen; das braucht möglichst viel Klarheit, statt des Nebels von Alkohol und Kater am Morgen danach.
Ob sich zwei für einander entscheiden oder ob sich andere von einander zu scheiden anfangen: Jedes Paar sollte seinen Weg möglichst bewusst gehen. Schließlich tragen sie dabei Verantwortung für sich selbst - und immer auch noch für einen anderen oder eine andere.
Ist das prüde? Ich finde es realistisch. Und christlich ist jedenfalls, dass ein Mensch umkehren können sollte, wenn sie oder er irgendwo zu weit gegangen ist. Wer sich verlaufen oder verführt hat oder gar in einem falschen Bett gelandet ist - hoffentlich haben die eine Partnerin oder einen Partner, die bereit sind, einen neuen Start zu versuchen.
Kann sein, dass es mühsam wird. Möglich, dass es mehr als die vierzig Tage Bußzeit kostet, die heute mit dem Aschermittwoch anfangen. Aber ich weiß: es lohnt sich. Wer ernsthaft an so einem Neustart mitarbeitet, der oder dem wird Gottes Liebe wirklich vergeben. Und der Mensch, den sie lieben, sicher auch.

 

 

weitere Gedanken der Woche

 

 

25. Februar 2001

Walburga - Heilige gegen Hundebiss?

Ich gebe zu: Manchmal habe ich angst vor Hunden. Aber noch mehr bin ich wütend, wenn Menschen sich einen Hund halten, weil sie keine Waffe haben dürfen. Und weil sie trotzdem mit so etwas wie einer Waffe protzen wollen. Und imponieren. Und einschüchtern. Immer noch in schlechter Erinnerung: Der tödliche Überfall von zwei Kampfhunden auf den kleinen Volkan in Hamburg. Dreieinhalb Jahre Knast hat der Besitzer der Hunde im Januar bekommen. Und trotzdem passiert immer wieder mal so was - und ganz viele Eltern haben Angst um ihre Kinder. Es macht mich zornig - und meine Angst vor manchen Hunden macht mich zugleich auch hilflos.
Da war die Nonne Walburga von anderem Kaliber. Eine Frau von Mitte vierzig im Kloster Tauberbischofsheim im frühen Mittelalter. Zwei ihrer Aufgaben: Krankenpflege und Versorgung der armen. Eines Tages ist sie unterwegs zur kranken Tochter eines Burgmannes. Und wird von mehreren Hunden angegriffen. Sieht gefährlich aus - jedenfalls kommen die Hundebesitzer schon angerannt, um der Krankenschwester zu helfen. Alles in Ordnung, beruhigt Walburga sie. Gott beschützt mich; die Hunde werden mir nichts tun. Und tatsächlich - auf der Stelle lassen die Hunde sie in Ruhe. Ob sie wohl noch ein bisschen geknurrt haben oder eher mit den Schwänzen gewedelt...?
Aber egal: die Legende erzählt mir was anderes: Menschen, die anderen Menschen gutes tun - die stellen sich auch ganz besonders unter Gottes Schutz. Sie dürfen sich ihrer Sache ganz sicher sein. Die heilige Nonne Walburga würde heutzutage vermutlich auch um Hilfe rufen. Obwohl sie selber als Schutzpatronin gilt gegen Hundebiss und Tollwut.
Heute ist ihr Namenstag - Glückwunsch wenigstens an zwei Walburgas, an die ich gerade denke. Und dass Sie und mich kein Hund beißt - und am besten auch keiner anbellen oder anknurren soll!

 

 

26. Februar 2001

Maske - wahres Gesicht?

Haben Sie Ihre Maske schon abgelegt? Ja ja, ich weiß schon: Rosenmontag ist doch erst der Höhepunkt. Und trotzdem: haben Sie sich schon demaskiert? Die Maske, finden manche, zeigt dein wahres Gesicht. Wie du dich verkleidest - da zeigst du, wer du wirklich bist. Oder sein möchtest - ist ja manchmal noch ein Unterschied. Und viele verkleiden und schminken und maskieren sich in diesen Fastnachtstagen, damit sie mal ihre Alltagsmasken ablegen können. Die "ich-bin-so-freundlich-Maske"; das "wie-kann-ich-ihnen-helfen-Gesicht", die "macht-mir-alles-gar-nix-aus-miene..." weg damit und mal so richtig aus sich raus gehen: Dafür sind Fastnachtsmasken echt gut. Obwohl manche sau vielleicht besser doch nicht rausgelassen würde...
Aber trotz möglicher Auswüchse: Manche Menschen brauchen die Fastnachtsmaskerade. So wie sie im Alltag auch ihre Alltagsmasken brauchen. Schließlich: muss jede und jeder mir sofort von weitem ansehen, dass ich mal nicht so gut drauf bin, Krach mit meiner Frau habe oder Sorgen um einen der Söhne!? Manchmal bleibe ich lieber alleine mit meiner Traurigkeit. Geht doch keinen was an - und da ist es gut, wenn ich mich hinter einem freundlich-professionellen Gesicht verstecken kann.
Die Alltagsmasken, wo sich hinter einem Lächeln oder Grinsen dann in Wirklichkeit ein fieser Charakter versteckt - unter dem Tisch tritt er mir gegen mein Schienbein - okay: die gibt es auch.
Wenn ich nur das Gesicht sehe, nur die Oberfläche - dann weiß ich erst wenig über den Menschen, der da vor mir steht - und auch hinter den witzigsten Verkleidungen traben sicher ein paar ziemlich traurige Gestalten mit im Rosenmontagszug...
Ob es die tröstet, weiß ich nicht. Aber für mich ist es wichtig, dass mein Gott mich ganz gut kennt und durchschaut. Selbst wenn ich mich mit nacht maskiere, heißt es im Psalm 139 - du Gott kennst meinen Weg... da ist eine Liebe für jeden Menschen - mit Maske oder ohne. Und auch deswegen, sichtbar oder nicht, ganz fröhlich: Alaaf und Helau allerseits!

 

 

27. Februar 2001

Auto: fasten

Dass heute das Auto stehen bleibt, ist ja wohl Ehrensache. Also jedenfalls, wenn Alkohol im Fastnachtsspiel gewesen sein sollte. Ist einfach zu gefährlich - und die Polizei hat ja auch angekündigt, dass sie besonders gut aufpassen und viele Kontrollen einrichten wollen. Also: heute mal stehen lassen, das gute Stück.
Und in den vier Wochen zwischen 10. März und 10. April auch - dazu lädt die Aktion Autofasten ein. Fast überall in Rheinland-Pfalz und im Saarland, die großen Kirchen und fast alle Verkehrsunternehmen und die Landesregierungen und andere laden dazu ein. Möglichst viele Menschen sollen bewusst das Auto stehen lassen. Zu Fuß oder mit dem Rad oder eben mit Bus und Bahn gehts meistens ja auch. Oder - wenn schon nicht ganz ohne Auto - dann jedenfalls bewusst sparsam und umweltschonend fahren - und eben so wenig wie möglich.
Letztes Jahr haben sich 635 Menschen angemeldet mitgemacht. Dieses Jahr gibt’s für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer 700 14-Tage-Tickets für Bus und Bahn zu gewinnen; gestiftet von den Verkehrsunternehmen. Die haben natürlich auch was von der Aktion: Können hoffen, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen - Leute, die merken: och, kann ja ganz gemütlich sein, mit dem Bus zur Arbeit... Und je mehr Leute das Auto oft oder ganz stehen lassen während der Aktion - desto größer ist der Gewinn für die Natur und für alle.
Heilsam in Bewegung kommen - das ist das Motto für die Aktion Autofasten. Heilsam - weil es oft schon gut tut, ein bisschen langsamer unterwegs zu sein. Heilsam vielleicht deswegen, weil ich in der Bahn ab und zu auch mal nette Leute treffe und unterwegs schon ein gutes Gespräch haben kann. Heilsam aber jedenfalls deswegen, weil die Autofaster gemeinsam ein paar Tonnen Schadstoffe nicht in die Luft blasen, weniger Lärm verursachen - und weil vielleicht sogar ein paar Unfälle weniger passieren. Finden Sie interessant? Mehr Infos gibt’s im Internet - unter:
www.autofasten.de.

 

 

01. März 2001

"So wahr mir Gott helfe"

Die eine tat es mit - die andere ohne. Zwei neue Ministerinnen hatten vor dem deutschen Bundestag den Eid auf das Grundgesetz zu leisten. Und wieder warteten manche: tun sie es mit oder ohne? Die neue Ministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft: ohne. Die Gesundheitsministerin: mit. Will sagen: Die eine rief bei ihrem Eid Gott zum Zeugen und Helfer an, Die andere ließ es. So wahr mir Gott helfe - diese Eidesformel ist eben nicht unbedingt erforderlich. Und das finde ich ganz in Ordnung. Dieser Staat hat sich den Religionen gegenüber zu Neutralität verpflichtet...
Allerdings: Wer jetzt zu wissen glaubt, welche der beiden Ministerinnen an einen Gott glaubt, welche gar eine Christin ist - und welche nicht: Könnte sein, dass er auf dem Holzweg ist.
In der Bergpredigt sagt Jesus von Nazaret: "Unseren Vorfahren ist gesagt worden: 'ihr sollt keinen Meineid schwören'.... Ich aber sage euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören! Nehmt weder den Himmel zum Zeugen - Gottes Thron - noch die Erde... Sagt einfach ja oder nein; jedes weitere Wort stammt vom Teufel."
Wenn ich mich an Jesus orientieren will, kann ich nach diesem Bibelwort eigentlich gar nicht schwören - und jedenfalls nicht: So wahr mir Gott helfe. Ich müsste es einfach feierlich versprechen: Dass ich meine Arbeit richtig mache und das Grundgesetz verteidige. Und müsste hoffen: Der Staat und die Leute vertrauen auf mein ja oder nein, auch ohne dass ich meinen Gott dafür öffentlich anrufe.
Klar weiß ich, dass ich ohne Gottes Hilfe kein einziges Versprechen halten kann. Klar weiß ich, dass mein ganzes Leben in seiner Hand liegt. Aber eben darum bemühe ich ihn nicht, wenn’s drum geht, dass ich Wort halte... Könnte ja sein, dass es Renate Künast auch so hält. Ist aber ihre Sache und ihre Gewissensentscheidung. Die Bundesrepublik Deutschland wird kein bisschen gottloser. Auch wenn Ministerinnen und Minister in Berlin oder sonstwo Gott nicht mehr selbstverständlich im Munde führen.

 

 

02. März 2001

Sünde "Kohorten-Keulung"

Das ist doch wohl der eigentliche Wahnsinn: Vierhunderttausend Rinder sollen geschlachtet werden, allein in Deutschland, noch in diesem Frühjahr. Zwei Millionen sollen es in der ganzen europäischen Union werden. Zwei Millionen Rinder: getötet und verbrannt - und dann noch mal fast anderthalb Millionen zusätzlich. Vernichtet auf Kosten der Steuerzahler. Und nicht etwa, um die Menschen vor BSE und Rinderwahnsinn zu beschützen. Sondern zur Marktbereinigung, wie die Eurokraten es schönfärben. Die Bauern können ihre Tiere nicht mehr verkaufen und die Schlachter sind auf anderes Fleisch umgestiegen. Also kaufen der Staat und die EU die Tiere auf. Zum Vernichten. Es ist Wahnsinn...
Als Christ nenne ich es Sünde. Ihr sollt die Erde bebauen und den ganzen Garten der Schöpfung hegen und pflegen - das ist Gottes Auftrag an die Menschen ganz am Anfang der Bibel. Das heißt schon auch: Nehmt Pflanzen und Tiere als Nahrung; töten dürft ihr, um selber zu leben. Aber dieses Zugeständnis hat Grenzen. Und die sind eindeutig überschritten, wenn jetzt das große Schlachten weitergeht. Eben nicht zur Ernährung von Menschen, sondern zur Sicherung des Profits.
Ich nenne es Sünde - und muss doch machtlos zusehen. Das heißt: Ein bisschen Einfluss habe ich vielleicht doch auch. Wenigstens für meine Familie kann ich einen anderen Weg gehen. Fleisch, Milch, Käse und Eier dort einkaufen, wo die Tiere artgerecht leben und gesundes Futter fressen. Den Preis dafür werde ich zahlen müssen. Aber mit weniger Fleisch können wir auch gesund leben.
Die ganz große Lösung ist das auch nicht. Kann sein, dass die Landwirtschaft keinen unschuldigen Ausweg aus der BSE-Krise hat. Das ganze landwirtschaftliche Produktionssystem ist ja wohl krank. Aber danach muss es doch weitergehen - und anders als zuvor - und dazu kann ich ja heute schon meinen kleinen Schritt vorangehen.

 

 

03. März 2001

So ein dünnes Buch!?

Als Kinder haben wir Bücher noch nach Gewicht beurteilt: "Boh ey, jetzt habe ich eins mit 150 Seiten angefangen!" "Ach, ich hab gerade 200 durch - in zwei Wochen..." Je dicker je besser... Viele Menschen denken immer noch so. Wenn etwas nur groß genug ist, isses doch bestimmt auch gut...
Da war es für manche eine ziemliche Enttäuschung, als Mitte Februar die beiden großen Genforschungsgruppen mit der Nachricht herauskamen: Die menschlichen Erbinformationen sind höchstens halb so umfangreich, wie wir bisher dachten. Und nur etwa doppelt so groß wie die von der winzig kleinen Fruchtfliege. Dreißigtausend Gene - und fertig sind alle Informationen, um daraus einen Menschen entstehen zu lassen. So ein dünnes Buch, hätten wir als Kinder vielleicht gedacht.
Und natürlich völlig falsch gelegen. Nur dreißigtausend Gene - und da draus kann die Natur über sechs Milliarden ganz verschiedene Menschen entstehen lassen - verschieden im äußeren und mindestens ebenso verschieden in ihrer Seele. das allein - eine so große Vielfalt aus so wenig Material: Das allein wäre schon ein Grund zum Staunen - und für gläubige Menschen ein Grund, dem Schöpfer Gott zu danken für die liebevolle Fantasie, mit der er diese 30.000 Gene ausstattet. Wie gesagt: nur mal gerade doppelt so viele Gene wie die lästige kleine Fruchtfliege hat - und zwischen der und uns liegen Welten...
Noch mal ein Grund, beinah ehrfürchtig zu staunen vor uns Menschen. Zugegeben: unsere Erbinformationen passen vielleicht in ein ziemliches dünnes Büchlein. Aber - trotz der dicken Bibel und trotz vieler zehntausend Neuerscheinungen jedes Jahr: Der Roman der Menschheit ist immer noch nicht fertig geschrieben.

 

 

 

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