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GEDANKEN der WOCHE
von Ambros Tremel,
Katholische Kirche
Der Gedanke
der Woche
Mittwoch, 14.02.2001
Markenklamotten
Obwohl es sehr kalt ist, trägt Dennis seine Daunenjacke offen.
Wenn er über den Schulhof geht, soll jeder sehen können, dass er
darunter ein Marken-Sweat-Shirt trägt. Jetzt heißt es nicht mehr
"Da kommt der Asoziale", wenn Dennis über den Hof geht.
Denn mit seinem neuen Sweat-Shirt ist Dennis auch endlich
"in".
Auf ihr Äußeres achten längst nicht mehr nur die Mädchen. Gerade
auch Jungs unterliegen immer häufiger dem Zwang, mit Markenklamotten
das eigene Image aufzubessern.
Als Vater kann ich natürlich leicht sagen: "Da stehst Du doch
drüber." Und "Du hast schließlich innere Werte und die
sind wichtiger als so ein paar Klamotten".
Die Wirklichkeit ist härter: Soviel Selbstbewusstsein können
nämlich nur wenige Kinder an den Tag legen. Anderen offen ins Gesicht
zu sagen, dass "in" sein "blöd" ist. Die meisten
unterliegen dem sozialen Druck. Fühlen sich als Außenseiter, haben
zu kämpfen. Was tun als Eltern?
Alleine kämpft man da wahrscheinlich wie Don Quichote gegen
Windmühlen. Gemeinsam kann man da schon mehr bewirken. Eltern in
Hamburg haben sich für die Kinder ihrer Klasse auf eine Art
Schuluniform geeinigt. Gleichfarbige Sweatshirts mit Schulemblem.
Fertig. Jeder trägt es - "in" und "out" sind
damit abgeschafft. Vielleicht nicht für jede Schule ein gangbarer
Weg. Aber das Problem mal beim Elternabend ansprechen kann jeder. Und
damit kommt vielleicht was in Bewegung. Entsteht eine Lösung, die
trägt. Wird wieder betont, was es heißt, dass jeder Mensch wertvoll
ist; weil er von Gott geliebt ist und nicht weil sein T-Shirt genug
kostet.
weitere Gedanken
der Woche
Sonntag, 11.02.2001
Clean
"Die ändern sich ja doch nicht. Letztlich werden die doch
alle wieder rückfällig."
Vorurteil oder Wirklichkeit? Fakt ist: die Rückfallquote bei
Drogenabhängigen und Kriminellen ist besonders hoch. Ganz viele
landen nach einer Verurteilung erneut im Gefängnis und ebenso viele
fangen trotz Therapie oder Entzug wieder an zu spritzen.
Aber trotzdem will ich die Hoffnung nicht aufgeben, niemanden als
erledigt abstempeln. Gerade die, die als "Sünder"
abgestempelt sind, haben eine Chance verdient. Menschen können sich
zum Guten ändern. Und darum freue ich mich immer über positive
Beispiele. Wie letztes Jahr in Kaiserslautern: Ein junger Mann nahm
Drogen, finanzierte das über verschiedene Einbrüche. Wurde gefasst.
Der Richter wollte ihm eine Chance geben: Wenn er clean würde und
Arbeit nachweisen könne, dann dürfe er auf Bewährung hoffen. Ein
befreundeter Anwalt hatte den Fall zu betreuen. Ein Jahr hat es
gedauert. Und tatsächlich: Als es zur Verhandlung kommt, zeigt sich
der Mann clean und in Arbeit. Der Richter gibt Bewährung. Und sagt
bei der Urteilsverkündung: "Im Himmel freut man sich über einen
Sünder, der umkehrt, mehr als über 100 Gerechte."
Ich freue mich auch - denn dieser junge Mann lässt mich weiter an das
Gute im Menschen glauben.
Montag, 12.2.2001
Westfälischer Apfelkuchen
Kuchenbacken ist gar nicht so schwer: Mehl, Butter, Zucker,
Vanillinzucker, 4 Eier, Milch, Mandeln, umrühren, Äpfel drauf,
backen fertig.
Trotz dieses einfachen Rezepts ging der Kuchen nicht auf, blieb
flach. Sehr ärgerlich. Was habe ich vergessen? Dem aufmerksamen
Hörer ist es sicherlich nicht entgangen: das Backpulver - es
fehlte. Und ohne Backpulver geht Rührteig nun mal nicht auf. Es ist
nur ein gestrichener Teelöffel voll und doch bewirkt er das
entscheidende Etwas.
Tja - die Kleinigkeiten sind eben manchmal genauso wichtig wie die
großen Dinge. Daran will ich mich erinnern, wenn ich mich mal
wieder ziemlich nutzlos fühle, weil ich keinen sichtbaren Beitrag
leisten kann.
Wenn an Fasching eine Büttenrede gebraucht wird und ich höchstens
eine Bütte tragen könnte. Wenn im Kindergarten zugepackt werden
müsste, ich aber körperlich nicht mithalten kann.
Wenn die Bilder schief hängen, ich aber zwei linke Hände habe.
Immer dann, sollte ich mich daran erinnern, dass es nicht auf die
Größe des Beitrags ankommt, sondern darauf, überhaupt etwas
beizusteuern. Es ist viel wichtiger, sich überhaupt einzubringen,
und zwar mit dem was möglich ist. Schön, wenn einer wie das Mehl
den Hauptanteil am Gelingen des Kuchens hält. Aber genauso wichtig,
wenn einer als Backpulver zum Aufgehen beiträgt oder als
Vanillinzucker zum Würzen. Der Wert wird nicht an der Menge
gemessen, sondern am Zutun und damit am Gelingen des Ganzen.
Mal sehen, was ich heute alles noch bewirken kann: als Mehl, Zucker,
Milch oder Backpulver...
Dienstag, 13.02.2001
Pfarrer Langhäuser
Eine Grundschule in Ludwigshafen. Während der Pause springen die
Kinder über den Hof. Ein Stimmengewirr liegt in der Luft. Zu
verstehen ist nichts. Es werden mindestens 10 verschiedene Sprachen
gesprochen und das ergibt ein gehöriges Durcheinander. Was auf dem
Pausenhof aber recht problemlos ist, sieht im Unterricht anders aus.
Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen haben es schwerer dem
Unterricht zu folgen. Und Eltern mit schlechten Deutschkenntnissen,
können diesen Kindern nicht so gut helfen und sich auch bei der
Elternarbeit nicht so gut einbringen.
Ein Ludwigshafener Pfarrer hat dieses Problem schon seit langem
erkannt. Auf seine Initiative werden an der Volkshochschule
spezielle Deutschkurse für ausländische Eltern angeboten. Wenn die
Eltern gut Deutsch lernen, können sie es auch leichter an ihre
Kinder weitergeben. Dies erhöht die Integrationsmöglichkeiten für
Eltern und Kinder. Trotz dieses guten Ansatzes sieht der Pfarrer
auch Probleme: je weniger deutsche Kinder in einer Klasse sind,
desto geringer wird die Bereitschaft der anderen zum Deutschlernen.
Als der Pfarrer dieses Problem öffentlich anspricht, bricht ein
Sturm der Entrüstung los: solche Thesen seien ausländerfeindlich
wirft man ihm vor.
: also political Correctnes statt ehrlicher Analyse.
Mich hat das sehr betroffen gemacht. Denn das Verschweigen von
Problemen löst sie bekanntlich nicht. Statt politisch korrekter
Floskeln wünsche ich mir, wenn alle Beteiligten Integration offen
und engagiert angehen würden. Auch und gerade die sicherlich auch
problematischen Aspekte.
Donnerstag, 15.02.2001
Aktive Sterbehilfe
Paragraph 216 Strafgesetzbuch: Töten auf Verlangen. Zu deutsch:
aktive Sterbehilfe. Noch ist sie in Deutschland strafbar. Zwischen
sechs Monaten und fünf Jahren Haft drohen Ärzten, Pflegepersonal
oder Angehörigen, die dem angeblichen Todeswunsch eines Patienten
nachkommen.
Die Nachbarn in Holland sehen das schon anders: Als erstes Land der
Welt haben die Niederländer seit letztem Jahr per Gesetz die
Möglichkeit, mit ärztlicher Hilfe ihr Leben zu beenden.
"Unerträgliches Leid" und "Aussichtslosigkeit auf
Heilung" sind die Gründe, bei denen Sterbehilfe dort zulässig
ist.
Aber genau da setzen meine Zweifel an jeder diesbezüglichen
gesetzlichen Regelung ein: Was heißt nämlich "unerträgliches
Leid?" - wenn ich mich mit Morphium vollpumpen muss, wenn ich
mich bei jeder Bewegung vor Schmerz krümme, oder ist auch das
unerträgliches Leid, wenn ich jeden Tag mit ansehen muss, wie ich
älter werde, weniger tun kann, mich an immer weniger erinnere, an
immer weniger Freude empfinde, keinen Besuch bekomme...?
Und was heißt "Aussichtslosigkeit auf Heilung"? Kann man
denn das Altern heilen? Wer bestimmt diese Aussichtslosigkeit -
insbesondere dann, wenn der Betroffene sich gar nicht äußern kann?
Ich befürchte: eine gesetzliche Regelung leistet dem Missbrauch
Vorschub. Ein kranker alter Mensch - zu krank - per Gesetz definiert
- stirb. Davor habe ich Angst.
Es mag sein, dass ein Mensch sein Leben nicht mehr als sinnvoll
empfindet. Und es mag sein, dass ich in einem bestimmten Einzelfall
Verständnis für den Gang in den Tod haben werde. Aber gesetzliche
Regelungen haben die Tendenz aus einem Verbot eine Einladung zu
machen und das sollte es in Deutschland nicht geben.
Freitag, 16.02.2001
Profiler
"Versuch doch mal mich zu verstehen! Das habe ich doch gar
nicht so gemeint." Häufig höre ich etwas ganz anderes als
das, was man mir eigentlich sagen wollte.
Sie sagt: "Ich komme heute Abend etwas später, weil ich noch
bei einer Freundin vorbeischaue."
Ich höre: "Ich bin Dir also nicht so wichtig wie Deine
Freundin."
Sie sagt: "Könntest Du heute mal kochen, ich hab viel zu
tun."
Ich höre: "Sie hat schon wieder keine Lust zu kochen."
Durch falsches hinhören entstehen Missverständnisse. Streit und
Krach sind vorprogrammiert.
Profiler müsste man sein, dann ließe sich das vielleicht
vermeiden.
So wie Ally Walker. Die spielt auf Vox einen Profiler. Einen
besonders begabten Menschen. Sie löst ihre detektivischen Fälle
durch Eintauchen in die gedankliche Lebenswelt des Täters. Ally
Walker kann das sehr gut: wie ein Film läuft vor ihrem geistigen
Auge der Tathergang ab. Was ist passiert, was hat derjenige getan,
gedacht. Indem sie sich mit dem Täter identifiziert, beginnt sie
wirklich zu verstehen und kann den jeweiligen Fall lösen.
In die Rolle des anderen hineinschlüpfen, um ihn zu verstehen.
Meinen eigenen Standpunkt aufgeben und aus der anderen Perspektive
schauen. So wie es ein altes Indianersprichwort sagt: Wenn Du den
anderen verstehen willst, dann lerne in seinen Mokassins zu laufen.
Gute Idee.
"Könntest Du heute mal kochen, ich hab viel zu tun." -
Sich hineinversetzen: was hat sie im Moment alles zu tun. Käme ich
da nicht auch ins Rotieren.
Nur vermuten, dass sie zu faul ist, wäre zu einfach. Wenn ich mich
in sie hineinversetze und es wirklich spüre, dann kann ich immer
noch sauer sein.
Samstag, 17.02.2001
Tischgebet
Rituale sind wichtig. Gerade im Alltag, wo man nicht jedes Mal
neu überlegen will, wie man etwas macht. Für meine Frau und mich
besonders wichtig ist das Ritual beim Mittagessen. Bevor wir mit dem
Mittagessen anfangen, halten wir einen Moment inne. Dann spricht
einer von uns ein Tischgebet. Z.B.: "Komm Herr Jesus und sei
unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast. Amen"
Erst dann heißt es "Guten Appetit". Ich kenne auch
Familien, die ein stummes Gebet sprechen. Alle fassen sich an den
Händen, bilden damit einen Kreis um den Tisch und drücken sich die
Hände ganz fest. Dann wird gegessen.
Das Ritual "Tischgebet" macht unser Mittagessen
wertvoller.
Zum einen bremst es uns. Los geht´s erst, wenn wirklich alle da
sind, sich wahrgenommen haben und gemeinsam gebetet haben. Nicht der
eine sitzt schon und der andere steht noch, sondern wirklich alle
sitzen am Tisch.
Zum anderen macht das Tischgebet deutlich, dass jetzt die Arbeit
unterbrochen ist und etwas besonderes ansteht: eine kleine
Erholungspause.
Und obendrein ist es auch schön sich kurz zu bedanken - essen - und
gut essen - ist schließlich nicht überall selbstverständlich. Da
tut es gut, das, was auf dem Tisch steht, bewusst wahrzunehmen und
dafür danke zu sagen. Nicht indem ich jeden Tag aufs neue mein
Danke überlegen muss, sondern als Ritual, als gute Angewohnheit,
beim Mittagessen ganz selbstverständlich inne zu halten, Gott zu
danken und damit gemeinsam zu essen.
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